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Sie sehen aber gar nicht gut aus!

Sie sehen aber gar nicht gut aus!

Titel: Sie sehen aber gar nicht gut aus! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Strzoda
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beschissenen Einschaltquoten tun würden. Der Moderator des Radiosenders hätte schließlich eine nicht ungefährliche Situation auslösen können, wenn die Geisel bei einer Frage das Falsche gesagt hätte.
    Perfekt geformte Schneeflocken fielen wie Wattebällchen vom Himmel und bedeckten die Straßen mit weißem Flaum. Die letzten Journalisten packten ihre Kameras und Mikrofone ein, stiegen in die Autos und räumten endlich die Hauptstraße. Menschen liefen an der Zahnarztpraxis vorbei, als ob nichts passiert wäre. Sie ahnten auch nichts von der Tragödie, die sich noch vor Kurzem hier in diesem Gebäude abgespielt hatte.
    Später stellte sich heraus, dass Franks Waffe nur eine Gaspistole gewesen war, die niemanden hätte töten können. Auch die Handgranate war nicht scharf gewesen, sondern ein täuschend echt aussehendes Feuerzeug. Den Polizisten war trotzdem keine andere Wahl geblieben. Denn niemand war in der Lage, innerhalb weniger Augenblicke den Unterschied zwischen einer scharfen Pistole und einer Spielzeugwaffe zu erkennen. Sie hatten die tödlichen Schüsse auf Frank abfeuern müssen. Und das war ja auch genau das gewesen, was Frank gewollt hatte.

Ein Schritt zu weit
    Bertram war schon immer der typische Verlierer. In der Grundschule hatten sie ihn wegen seiner abstehenden Ohren und seiner Figur gehänselt, denn er sah von der Seite aus wie ein Fragezeichen. Ein Opfer, wie man im heutigen Jugendslang sagen würde. In der Hauptschule hatte seine Pubertät darin gegipfelt, dass ihn zwei seiner damaligen Mitschüler verprügelt und mit seiner eigenen Unterhose über dem Kopf vorne über ins Mädchenklo getaucht hatten. Mehrere Schüler hatten bei dieser demütigenden Inszenierung zugesehen und waren in vernichtendes Gelächter ausgebrochen. Auch der letzte Klassenkamerad, mit dem sich Bertram bisher gut verstanden hatte, kehrte ihm daraufhin den Rücken zu.
    Die letzte Frau hatte Bertram drei Jahre lang ausgenommen wie eine Weihnachtsgans und ihm dazu noch ein Kind von einem anderen angehängt. Am 3. Juni ließ sie ihn dann plötzlich fallen wie eine heiße Kartoffel. »Es ist vorbei«, meinte sie nur, nahm ihre bereits gepackte Tasche und verließ die gemeinsame Wohnung, ohne sich noch einmal umzudrehen. Keines Blickes würdigte sie ihn, als sie in ihr Auto stieg und davonfuhr. Alles hatte dieses Luder mitgenommen bis auf die schwarze Rose aus Plastik, die er ihr zum ersten Jahrestag geschenkt hatte.
    Ab diesem Moment soff Bertram wie ein Loch. Zwei Tage nach dem Beziehungsende fuhr er mit seinem vier Wochen alten Auto im Rausch gegen ein Bushäuschen. Die Polizei hatte daraufhin Bertrams Führerschein sichergestellt und ihm einen Strafprozess angekündigt. Er wusste, dass er mit zwei Promille keine Chance vor Gericht haben würde. Der perfekte 46. Geburtstag.
    Am Tag nach dem Crash musste Bertram seinem Chef erklären, dass er als Außendienstmitarbeiter nun keinen Führerschein mehr besaß. Der Firmenboss eines Unternehmens für Elektronikartikel hatte ihn in sein Büro gebeten. »Mensch, wie konnte das denn passieren?«, hatte er gefragt und den Kopf geschüttelt. »Ich würde sagen, Sie unterschreiben einen Auflösungsvertrag. Das ist das Unkomplizierteste für uns alle«, fügte er hinzu, »und wenn Sie Ihren Führerschein wiederhaben, dann rufen Sie mich einfach an.« Gesenkten Hauptes hatte Bertram seine ehemalige Firma verlassen, wohl wissend, dass er niemals wieder über diese Schwelle treten würde. Auf der Heimfahrt spulten sich alle Schicksalsschläge vor seinem geistigen Auge wie ein Film ab. Wie ein roter Faden zogen sie sich durch sein armseliges Leben. Doch Bertrams Schmerzgrenze war jetzt überschritten.
    »Mach dir keine Sorgen, Mama«, sagte er ins Telefon, »ich muss nur etwas erledigen. Bin bis heute Abend zurück.« Dann legte er auf, duschte und ging zum Kleiderschrank. Sein schönster Anzug sollte es zu diesem Anlass sein. Er verließ das Haus und stieg in den Linienbus, der sich in Bewegung setzte und als Nächstes vor dem Wedge-Gebäude stoppte. Das Wedge-Gebäude war nach seinem Architekten benannt und das höchste Bürogebäude dieses Ortes. Die milchgläserne Eingangstür prallte mit dem Türgriff gegen den abgewetzten Stopper dahinter, als Bertram das Gebäude betrat. Im Aufzug drückte er die Taste mit der Ziffer 26. Ganz nach oben. Über die große rote Stahltür gelangte er zum Dach. Er trat hinaus, und die Tür fiel dumpf hinter ihm ins Schloss.
    Die Geräusche der Stadt

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