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Sie sehen aber gar nicht gut aus!

Sie sehen aber gar nicht gut aus!

Titel: Sie sehen aber gar nicht gut aus! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Strzoda
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denn der Mann war auf der rechten Spur der Autobahn anstatt auf der Standspur stehen geblieben. Fataler Fehler. Ein nachfolgender Wagen hatte das schlecht beleuchtete Fahrzeug übersehen und war mit hoher Geschwindigkeit aufgefahren. Da auf der Autobahn zu diesem Zeitpunkt ein reger Verkehr herrschte, kam es in der Folge zu diesem Crash mit etlichen Autos.
    Ich versuchte mein Bestes. Hektik zwischen Wracks und schreienden Menschen. Halskrause. Venöser Zugang. Sauerstoff. Offene Brüche abdecken. Und wieder ein venöser Zugang mitten im Wimmern. Jeder Schritt knirschte auf dem Glas geplatzter Scheiben. Es verging eine gefühlte Ewigkeit, bis ich endlich die Martinshörner meiner nachgeforderten Kollegen hörte. Von Oswald keine Spur.
    »Wo sollen wir hin?«, rief mir ein entgegenkommender Kollege zu. Es roch nach Öl und Benzin.
    »Da hinten rechts im Graben ...«
    Eine andere Besatzung schickte ich zum ersten Fahrzeug, einem blauen Wagen. »Fahrerseite, Polytrauma«, informierte ich die Kollegen. Das zuerst eingetroffene Rettungsmittel – also in diesem Fall ich – hat nämlich zunächst die organisatorische Einsatzleitung, bis ein offizieller Einsatzleiter des Rettungsdienstes die Szenerie betritt.
    Die Leitstelle funkte mich an. »1/83/1, ein Hubschrauber ist für Sie unterwegs zur Einsatzstelle. Mehr gibt’s wegen der Nebelsuppe nicht. Tut mir leid.« Immerhin. Einer mehr, als ich angenommen hatte.
    Nach und nach kehrte Ruhe ein. Der Nebel lichtete sich etwas, während die Opfer dieses fatalen Verkehrsunfalles abtransportiert wurden. Perfekte Zusammenarbeit aller Retter vor Ort. Die Körper der Verstorbenen wurden mit Laken bedeckt und auf dem Seitenstreifen des Fahrbahnbereiches abgelegt. Einzelne Sterne funkelten so hell, als wollten sie uns Licht machen.
    Eine Stunde später war der Einsatz beendet. Ich stand mit dem Einsatzleiter am Rettungswagen. Während er sich eine Zigarette anzündete, fragte er: »Wo ist Lenny?« Er aschte auf den Boden und sah mich an. Eine berechtigte Frage. Wo sich Lenny befand, wusste ich. Über Oswald konnte ich leider nicht dasselbe sagen. Ein Schauer lief mir über den Rücken, und ein Kloß setzte sich in meinem Hals fest. »Lenny liegt mit Kotzerei und Fieber im Bett, Oswald vertritt ihn«, antwortete ich. »Oswald? Oswald!« Keine Antwort. Verdammt. Er musste doch irgendwo sein. Ein paar Kollegen hatten Oswalds Verschwinden mitbekommen und machten sich mit uns auf die Suche. Gedanken blitzten in mir auf. Hässliche Gedanken, denn mir fiel unser Dialog vom Vorabend wieder ein. Oswald war irgendwie anders gewesen als sonst.
    »Wir haben euren Retter gefunden«, meinte schließlich ein Kollege der Feuerwehr und kam direkt auf mich zu.
    Oswald kniete weit abseits von der Unfallstelle in einem angrenzenden Feld, die linke Hand voller Lavendel. Im Schneckentempo rupfte er einen Stiel nach dem anderen aus dem Feld und hatte so ein Sträußchen gebildet, das bereits ziemlich groß war. Eine Blütenähre steckte hinter dem Ohr in seinen Haaren.
    »Eine für dich ... und eine für mich ... eine für dich ... und eine für ...«, wiederholte er mit hoher Stimme, viel höher als sonst. »Nein! Das kann ich ... nicht ... tun!« Oswalds Augen waren so weit aufgerissen, dass das Weiß um seine Iris vollständig sichtbar war. »Warum? Ich weiß den Weg nicht.«
    »Oswald? Was ist los?«
    »Wieso willst du das wissen? Weil ich nicht bin?« Ein müdes Lächeln verformte seine Lippen, während nebenan Leichensäcke zugeschnürt wurden. Das Lächeln eines Wahnsinnigen. Plötzlich sank Oswald in sich zusammen, die Blumen rutschten ihm aus der Hand. Er starrte ins Gras, der Oberkörper wippte hin und her. Dissoziation. Ende der psychischen Teerstrecke.
    Im Rettungswagen war es still. Nur das gelegentliche Klacken eines aufgetasteten Funkgerätes schnalzte aus dem Lautsprecher. Wind zog durch einen Spalt im Seitenfenster und spülte den Geruch der Nacht in den Innenraum. Den Rettungswagen hatte ich in der Leitstelle abgemeldet, denn ohne meinen Schichtpartner Oswald konnte ich keine weiteren Einsätze fahren. Ich nahm mein Handy aus der Tasche und tippte Luisas Nummer. Freizeichen.
    »Hallo?«
    »Hallo, Luisa. Der Einsatz ist jetzt erst zu Ende. Entschuldige, dass ich dich wecke. Du wolltest mir vorhin etwas Wichtiges über Oswald sagen.«
    »Er könnte schizophren sein und steuert auf eine akute Psychose zu. Alle Symptome passen perfekt, ich hab’s noch einmal nachgeschlagen. Auch das, was du

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