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Sie sehen aber gar nicht gut aus!

Sie sehen aber gar nicht gut aus!

Titel: Sie sehen aber gar nicht gut aus! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Strzoda
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Programmierer gewesen und dem IT-Bereich nach wie vor sehr nah. Wenn überhaupt jemand so etwas einschätzen konnte, war er es.
    »Kannst du hellsehen?«, fragte ich ihn.
    »Quatsch. Als ich das letzte Mal nach Hause gekommen bin, war meine Tastatur verschoben. Und in der Küche waren Sachen verstellt.« Schweiß glitzerte auf Oswalds Stirn. »Als ich im Supermarkt bezahlen wollte, hat die Kassiererin meine Karte zweimal durchgezogen statt einmal. Wahrscheinlich hat sie dabei die Daten abgegriffen.«
    »Ich glaube, deine Karte ist einfach nur reif für den Schredder.«
    »Meine Karte war immer tipptopp, hörst du? Immer! Als ich danach auf dem Heimweg war, hat mich irgend so ein Penner in einem Postauto verfolgt!« Oswald nestelte nervös an seinem Ärmel.
    »Klar …«
    »Ich bin extra einen Umweg nach Hause gefahren. Aber der Typ ist mir hinterher.«
    »Fahr dein System mal ein bisschen runter. Du leuchtest ja fast.«
    »Der Staat überwacht uns. Und mich auch. Ich habe letztens etwas auf einer Internetseite des Bundesnachrichtendienstes nachgesehen.«
    »Und?«
    »Ein blöder Fehler. Die haben sicher meine IP-Adresse mitgeschnitten, und jetzt bespitzeln sie mich.«
    Oswald machte mir Sorgen. Seine Backen glühten rot, und die Stimme war aufgeregt. Die Schläfenarterie pulsierte mit hoher Frequenz – viel schneller als sonst. Oswald zögerte. Nur das Klacken der Küchenuhr war zu hören. Sein Blick glitt langsam am Fenster entlang, an der Tür zum Gang vorbei. Am Sideboard, auf dem das Telefon stand, stoppte er.
    »Wie meinst du das?« Oswald drehte seinen Kopf plötzlich zu mir.
    »Meine ich was?« Pause.
    »Du hast doch eben gesagt, ich soll meine Jacke zurück ins Auto legen.«
    »Was für eine Jacke? Ich habe überhaupt nichts gesagt«, antwortete ich. Oswald verstummte.
    Der Zeiger der Uhr näherte sich dem Tageswechsel. Als mein Handy klingelte, verließ ich den Raum, um ungestört zu sein. Am anderen Ende der Leitung war Luisa, eine Freundin von mir. Dass ausgerechnet sie jetzt anrief, war für mich so etwas wie ein Zeichen, denn Luisa ist Psychologin. Sie verstummte immer mehr, während ich ihr beschrieb, was ich mit Oswald gerade erlebt hatte. Luisa versprach, in der Fachliteratur nachzuschlagen und mich dann umgehend zurückzurufen. 20 Minuten später war das Gespräch beendet. Doch Luisa hatte mich ermahnt, diese Nacht lieber Augen und Ohren offen zu halten und wachsam zu sein.
    Im Ruheraum dauerte es nicht lange, und ich glitt in einen traumlosen Schlaf. Im Nachtdienst schlafe ich allerdings nie so fest wie zu Hause. Ständig wache ich auf, weil Geräusche, die die zweite Besatzung erzeugt, im Gebäude zu hören sind. Autos und Lkws donnern auf der nahe liegenden Bundesstraße vorbei, und je nach Jahreszeit hört man auch Frösche und anderes Getier. Dann ist da noch das Funkgerät der Rettungswache, über das sich Funkverkehr leise mitverfolgen lässt. Nicht nur der Sprechfunk, sondern auch der Selektivruf zur Alarmierung ist zu hören und stört beim Schlafen. Der Selektivruf besteht aus fünf kurzen Tönen. Unsere persönlichen Alarmempfänger können auf diese Tonfolge codiert werden. Jeder Alarmempfänger »lauscht« auf unserem Funkkanal und reagiert nur auf den Code, der ihm einprogrammiert wurde.
    In dieser Nacht war mein Schlaf so leicht, dass ich schon durch das Senden der Fünftonfolge für meinen Alarmempfänger aufwachte, noch bevor der Piepser den Alarm gegeben hatte. In der Hundertstelsekunde kurz vor dem Auslösen öffnete sich der Funkkanal und knisterte. Mein Bewusstsein wurde durch dieses feine Rauschen schlagartig aus dem schwarzen Nichts des Schlafes zurückgeholt. Ein Knacken war zu hören und die kurze Stille danach. Dann zerstörte der Piepser die Ruhe des Nachtdienstes und schlug Alarm. Die Uhr zeigte halb zwei.
    Oswald taumelte erst aus dem Bett, als ich bereits in meiner Jacke steckte und dabei war, das Zimmer zu verlassen.
    »Was haben wir?« Oswald öffnete die Tür des Rettungswagens und stieg ein.
    »Verkehrsunfall.« Ich startete den Motor. »Unklare Situation. Vermutlich eine leicht verletzte Person.«
    »Ist ja gut. Dann liegen wir in spätestens einer halben Stunde wieder im Bett.«
    Oswald sprach aus, was ich dachte und hoffte. Oft kommt es jedoch anders, als man denkt. Rettungsdienst ist leider kein Wunschkonzert. Und bisweilen kommt es sogar ganz anders, als man denkt.
    Der Motor winselte. In Lichtgeschwindigkeit prügelte das blaue Geblitze unserer Signalanlage

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