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Sie sehen aber gar nicht gut aus!

Sie sehen aber gar nicht gut aus!

Titel: Sie sehen aber gar nicht gut aus! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Strzoda
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nicht wissen, dass ich Rettungsassistent war und im Schichtdienst arbeitete. Da sich meine Wohnung im Dachgeschoss befand, kam im Sommer das Problem dazu, dass ich alle Fenster aufreißen musste. Gezwungenermaßen, denn bei 40 Grad Raumtemperatur war an Schlaf sowieso nicht zu denken – ob mit oder ohne Lärmschutz in den Ohren.
    Der Nachbar besaß eines der pompösesten Grundstücke in unserem Viertel. Ein Grundstück von normaler Größe hatte circa 350 Quadratmeter Grundfläche. Wenn man dann die Fläche des Hauses abzog, blieben noch in etwa 200 Quadratmeter Fläche übrig, die als Rasenfläche zu gebrauchen waren. Aber nein, dieser Herr nannte mindestens 700 verdammte Quadratmeter sein Eigen, von denen zu meinem Unglück bestimmt an die 500 Quadratmeter eine nutz- und damit mähbare Rasenfläche darstellten.
    Wenigstens schränkte das Lärmschutzemissionsgesetz den Betrieb eines benzinbetriebenen Rasenmähers empfindlich ein. Der Mistkerl hielt sich auch an die von der Gemeinde vorgeschriebene Zeit, die leider immer noch so umfangreich war, dass an ausreichenden Schlaf nicht annähernd zu denken war. Sie können sich nicht vorstellen, wie pedantisch man einen Rasen mähen kann. Der Typ war so lange nicht zufrieden, bis der letzte arme Grashalm exekutiert und das hinterste Blümchen enthauptet war.
    Keine zwei Minuten später stolperte der Nachbar endlich vor seinen eigenen Rasenmäher. Ein unbarmherziges »Rrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrh« und »Aaaaargh« erklangen, jemand schrie und rief nach einem Notarzt. Und dann: herrliche Stille. Eine Szene, die sich natürlich nur in meinem Kopf abspielte.
    Sie können sich sicher vorstellen, dass so ein Rasenmäher ebenso wie eine Kettensäge in der Lage ist, großen Schaden an menschlichem Gewebe zu verursachen. Das denke ich mir auch jedes Mal, wenn mein Nachbar auf seinen Obstbäumen herumturnt und die Äste stutzen möchte. Die Leiter lässig an den Stamm gelehnt, ohne jeglichen Sicherungsposten, wie eigentlich von der Berufsgenossenschaft vorgeschrieben, hält er sich mit der linken Hand an einem dicken Ast fest und schwingt mit der rechten Hand lässig die Säge. Auch eine außer Rand und Band geratene Säge ist in der Lage, ein königliches Gemetzel anzurichten, aber dem heimwerkenden Nachbarn scheint das herzlich egal zu sein.
    Ein wenig Schlaf später schellte es an der Tür. Ich hatte vergessen, die Klingel auszustellen. Die nette junge Postbotin hatte es eilig, kam schnellen Schrittes die Treppe hochgesprintet und hielt mir das Unterschriftenpad unter die Nase. Sie würde mir das nächste Päckchen einfach in mein Mülltonnenhäuschen legen, wenn ich diesen Ablagevertrag unterschreiben würde, sagte sie. Dann drückte sie mir neben meinem Päckchen auch den Wisch in die Hand und verschwand wieder. Der Ablagevertrag landete im Papiermüll, und mir fielen die Augen zu.
    Meine Wohnung ist eigentlich schön. Überdimensionale Galeriefenster in der Küche, amerikanischer Schnitt und ein großer einladender Balkon sorgen für ein beinahe perfektes Wohlbefinden. Die Wände sind aber leider so dünn, dass ich jede Bewegung unter mir wahrnehmen kann. Auch wenn gegen Nachmittag mein Nachbar von unten nach Hause kommt und die Haustür so in den Türrahmen knallt, dass ich wieder im Bett sitze. Anschließend muss zuerst der Köter ausgiebig begrüßt werden, was in einer Lautstärke stattfindet, die jeglicher Beschreibung spottet. »Jajajajajajajaja … jajajajajajajajaja … ohhhhhh … Puschel … jajajajajajaja!« Und wenn ich nicht wüsste, dass da jemand einen Hund begrüßt, würde ich weiß Gott was denken. Zehn Minuten später führt der Nachbar den kleinen Misthund zum Gassigehen aus und lässt mich auch das durch ein lautes »RUMMS!« mit der Haustür wissen.
    15 Uhr. Zeit zum Aufstehen. Mein Schlafdefizit brachte mir Augenringe und eine außerordentliche Stinkelaune ein. Das Wissen um drei weitere anstehende Nachtdienste trug auch nicht gerade zur Steigerung meiner Gemütslage bei. Ich war einfach todmüde.
    Schichtdienst ist eine wirkliche Herausforderung, auch wenn dieser von Zeit zu Zeit Vorteile bringt. Nach vier Nächten habe ich zum Beispiel einige Tage frei und kann Sachen erledigen, für die sich andere Mitbürger einen Tag Urlaub aus den Rippen schnitzen müssen. Einkäufe lassen sich gemütlich tagsüber erledigen, wenn die Konsumtempel allesamt leer sind. Auch Behördengänge kann ich wesentlich stressfreier abarbeiten, wenn ich auf den Gängen nicht

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