Sie sehen aber gar nicht gut aus!
mich aus wie ein enger grauer Tunnel, der unendlich zu sein schien. Während der Tag begann, hoffte ich nur auf gütigen und erholsamen Schlaf. Diese Hoffnung bestand exakt so lange, bis ich meinen Wagen vor meiner Wohnung geparkt hatte.
»Ah ... der Nachbar. Guten Morgen, guten Morgen! So früh schon auf den Beinen?«, sang der Alte aus dem Nebenhaus und wackelte mit einem Arm winkend auf mich zu. Verdammt. Ich wusste, dass mir der Senior wieder eines seiner längeren Gespräche ans Knie nageln wollte, die mich ungefähr so brennend interessierten, wie wenn in Moskau eine Matroschka aus Plastik umfällt. Und überhaupt: Wenn ich nicht so früh auf meinen Beinen gewesen wäre, stünde ich in genau diesem Moment vermutlich nicht vor dieser Hackfresse, die vor lauter Tatendrang, blindem Aktionismus und rhetorischen Fragen nur so zu strotzen schien. Ich weiß, ich bin unausstehlich, wenn ich müde bin.
»Habe ich Ihnen schon von meinem neuen Hobby erzählt – dem Scolytinae ? Dem Borkenkäfer, von dem es bei uns in Europa gut 150 Arten gibt?«
Manche Menschen merken einfach nicht, dass man sich für ihr Gesalbe nicht die Bohne interessiert. Vor meinem müden geistigen Auge erschienen seltsame Bilder: Wenn der Alte im Titicacasee von einem Krokodil zum Frühstück verspeist würde, dann könnte ich endlich die wohlverdiente, herrliche Ruhe in meinem Bett auskosten.
»Viel Spaß mit Ihren Freunden«, kürzte ich den Ausflug in die heimische Fauna schließlich ab, schritt zügig in Richtung Haustür und hörte den Alten dabei noch weiterfaseln, dass die Borkenkäfer heuer eine Invasion starten würden.
Die digitale Funkuhr zeigte sieben Uhr, als ich ins Bett fiel und noch nicht einmal mehr den Aufschlag auf meiner Matratze realisierte. Ich weiß nach manchen Nachtdiensten oft nicht mehr genau, wie ich nach Hause gekommen bin. Erinnern Sie sich an die unbesiegbare Müdigkeit aus Ihrer Jugendzeit, nachdem Sie eine Nacht in der Disco durchgefeiert hatten? Und Ihre werte Mutter Sie am Morgen darauf entweder in die Kirche oder zum Frühstücken mit Tante Leni gejagt hat? Sie waren absolut nicht begeistert von Ihrem Martyrium, machten gute Miene zum bösen Spiel und litten wie ein Hund.
Wau.
Was?
Wau, wau.
Mist. 7.45 Uhr. Der Köter der Nachbarn bellte. Aber nicht lange. Nur gerade lange genug, dass ich aus dem absoluten Tiefschlaf erwachte und wie ein Zombie im Bett saß.
Wau, wau, wau.
Dieser mistige Drecksköter hatte eine Stimme, die durch Mark und Bein ging. Erneut durchzuckten mich grauenhafte Gedanken: Ich stellte mir vor, wie ein Skalpell sanft durch die Stimmbänder des kleinen Kläffers glitt. Es hätte ja auch ein großer Hund sein können, der ein tiefes, sonores Bellen produzierte. Aber nein, es musste der Schichtarbeiter-inkompatible reinrassige und schwarz befellte Mittelspitz sein. Eine Fußhupe, die so winzig war, dass sie in eine Schuhschachtel passen würde. Möge ihn ein curaregetränkter Pfeil in den kleinen, schwarzen, fluffigen Hintern treffen, dachte ich noch, als ich wieder einschlief und von ebenjenem Pfeilgift der südamerikanischen Indios träumte.
8.30 Uhr.
Wauwauwauwauwauwauwauwau ... wau.
Die Töle drehte jetzt voll auf. Und ich drehte am Rad.
Sie müssen wissen, dass dieser Hund meiner Meinung nach eine angeborene Verhaltensstörung aufwies. Wenn die Terrassentür der im Erdgeschoss lebenden Nachbarn und Hundehalter aufging, rannte das Vieh in den Garten und kläffte alles an, was sich bewegte. Selbst der letzte sich im Wind wiegende Grashalm entging dem Hund nicht. Ich hatte meine Nachbarn schon öfter damit konfrontiert, aber es hieß nur, dass der Hund doch »kaum bellen« würde und dass »er ja taub sei und auf Zeichensprache einfach nicht reagiere«. Nolens volens akzeptierte ich diese Ignoranz und besorgte mir schließlich Ohrenstöpsel. Das Zottelvieh hatte gewonnen.
Und ich war wieder im Tiefschlaf angekommen. In meinem Traum saß ich in einem zweimotorigen Flugzeug aus dem Zweiten Weltkrieg, bei dem die Türen fehlten. Der Lärm der beiden Außenmotoren dröhnte unaufhaltsam und ließ mich auf meinem Sitz vibrieren.
Es war genau neun Uhr, als ich realisierte, dass dies überhaupt kein Traum war. Mein retardierter Nachbar aus einem der Häuser um mich herum hatte den Rasenmäher angeschmissen – so wie er es alle zwei Tage tat. Der Herr hatte ein ausgeprägtes und inniges Verhältnis zu seinem Garten, den er tagaus, tagein hegte und pflegte. Natürlich konnte der Affe
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