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Titel: Sie sehen dich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Coben
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mich an.«
    In diesem Fall war sie die Erwachsene und er das Kind. Er gehorchte.
    »Was ist da in der Nacht passiert?«
    Er schluckte und fragte: »Wieso?«
    »Du warst bei Spencer.«
    Er schüttelte den Kopf. Die Farbe wich aus seinem Gesicht.
    »Was ist da passiert, Adam?«

    »Ich war nicht bei ihm.«
    Sie hielt das Foto von der MySpace-Seite in die Luft, aber er sah wieder zu Boden.
    »Adam?«
    Er blickte auf. Sie hielt ihm das Foto direkt vor die Nase.
    »Das bist du, oder?«
    »Keine Ahnung. Schon möglich.«
    »Das Foto wurde an dem Abend gemacht, als Spencer gestorben ist.«
    Er schüttelte den Kopf.
    »Adam?«
    »Ich weiß nicht, was Sie von mir wollen, Mrs Hill. Ich hab Spencer an dem Abend nicht gesehen.«
    »Guck dir das Foto noch mal genau an.«
    »Ich muss los.«
    »Adam, bitte …«
    »Tut mir leid, Mrs Hill.«
    Dann lief er weg. Er lief am Backsteingebäude entlang, bog dahinter ab und war aus ihrem Blickfeld verschwunden.

9
    Chefermittlerin Loren Muse sah auf die Uhr. Sie musste zum Meeting.
    »Haben Sie die Unterlagen?«, fragte sie.
    Ihre Assistentin war eine junge Frau namens Chamique Johnson. Muse hatte sie bei einem ziemlich aufsehenerregenden Vergewaltigungsprozess kennen gelernt. Nach anfänglichen Schwierigkeiten mit den Dienstwegen, hatte sie sich im Büro inzwischen praktisch unentbehrlich gemacht.
    »Liegen hier«, sagte Chamique.

    »Das ist ’ne große Sache.«
    »Ich weiß.«
    Muse nahm den Umschlag. »Ist das alles?«
    Chamique runzelte die Stirn. »Also ehrlich, die Frage war jetzt echt überflüssig.«
    Muse entschuldigte sich und ging den Korridor entlang zum Büro des Bezirksstaatsanwalts von Essex County  – also zum Büro ihres Chefs Paul Copeland.
    Die Rezeptionistin  – sie war neu, und Muse konnte sich einfach keine Namen merken  – empfing sie mit einem freundlichen Lächeln. »Die warten schon alle auf Sie.«
    »Wer wartet auf mich.«
    »Staatsanwalt Copeland.«
    »Sie haben gesagt, dass ›die schon alle‹ auf mich warten.«
    »Wie bitte?«
    »Sie haben gesagt, ›die‹ warten ›schon alle‹ auf mich. Das heißt, es handelt sich um mehr als eine Person. Wahrscheinlich sind es auch mehr als zwei.«
    Die Rezeptionistin sah sie verwirrt an. »Ach, stimmt. Da sind vier oder fünf Leute drin.«
    »Im Büro von Staatsanwalt Copeland?«
    »Ja.«
    »Wer.«
    Sie zuckte die Achseln. »Noch ein paar Ermittler, glaube ich.«
    Muse wusste nicht, was sie davon halten sollte. Sie hatte um ein Gespräch unter vier Augen gebeten, um die heikle Situation mit Frank Tremont zu klären. Sie hatte keine Ahnung, was die anderen Ermittler da sollten.
    Schon von draußen hörte sie das Lachen. Wenn man ihren Chef Paul Copeland mitzählte, waren tatsächlich schon sechs Personen im Raum. Nur Männer. Frank Tremont war einer von ihnen. Und noch drei ihrer Ermittler. Auch der letzte kam ihr irgendwie bekannt vor. Er hielt einen Block und einen Kugelschreiber
in der Hand und hatte ein Diktiergerät vor sich auf dem Tisch stehen.
    Cope  – alle nannten Paul Copeland so  – saß hinter seinem Schreibtisch und lachte aus vollem Hals über irgendetwas, das Tremont ihm gerade zugeflüstert hatte.
    Muses Wangen fingen an zu brennen.
    »Hey, Muse«, rief Copeland.
    »Cope«, sagte sie, und nickte den anderen zu.
    »Kommen Sie rein, und machen Sie die Tür zu.«
    Sie trat ein. Alle Blicke richteten sich auf sie. Ihre Wangen brannten stärker. Sie hatte das Gefühl, in eine Falle gelockt worden zu sein und versuchte, Cope einen finsteren Blick zuzuwerfen. Er reagierte nicht, sondern lächelte nur wie der hübsche Naivling, der er manchmal war. Sie versuchte, ihm durch Blicke mitzuteilen, dass sie zuerst mit ihm allein sprechen wollte  – dass sie das Gefühl hatte, in einen Hinterhalt geraten zu sein, aber auch darauf reagierte er nicht.
    »Dann fangen wir doch am besten gleich an, ja?«
    Loren Muse sagte: »Okay.«
    »Ach, Moment noch. Weiß jeder, wer hier wer ist?«
    Cope hatte in der Behörde ein kleines Erdbeben ausgelöst, als er nach seiner Wahl zum Bezirksstaatsanwalt Loren Muse zu seiner Chefermittlerin gemacht hatte. Normalerweise bekam ein leicht resignierter Veteran diesen Posten, auf jeden Fall aber ein Mann, dessen Hauptaufgabe dann meist darin bestand, den »Politiker« und Neuling in die Tücken des Systems einzuweihen. Als Cope sich für Loren Muse entschied, gehörte sie zu den jüngsten Ermittlern im Department. Als er von den lokalen Medienvertretern gefragt wurde,

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