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Titel: Sie sehen dich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Coben
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Nachwuchs zum Geigenunterricht, zum Zahntechniker oder zum Karatetraining chauffieren konnten.
    Früher war auch Betsy Hill eine von diesen Müttern gewesen.
    Angefangen hatte sie am Kindergarten-Parkstreifen an der Hillside Elementary, dann war es an der Middle School am Mount Pleasant weitergegangen, und schließlich hatte es hier, nur zwanzig Meter von ihrem jetzigen Standort entfernt, sein vorläufiges Ende genommen. Natürlich erinnerte sie sich noch daran, wie sie auf ihren hübschen Spencer gewartet hatte, wie sie nach dem Läuten der Schulglocke erwartungsvoll durch die Windschutzscheibe geschaut hatte, als die Jugendlichen aus dem Tor herausströmten wie Ameisen, nachdem man mit dem Fuß gegen den Ameisenhaufen gestoßen war. Wenn sie ihren Sohn in der Menschenmenge entdeckte, hatte sie gelächelt, und meistens hatte er dieses Lächeln erwidert  – besonders früher.
    Sie vermisste die Zeit, als sie noch eine junge Mutter war  – die Naivität, die einem beim ersten Kind noch zugestanden wurde. Bei den Zwillingen war das jetzt anders, und das war es auch schon vor Spencers Tod gewesen. Sie blickte noch einmal zu den Müttern hinüber, die sorglos, gedankenlos und furchtlos schwatzten, und sie wollte sie dafür hassen.
    Die Glocke läutete. Die Türen öffneten sich. Die Schüler strömten heraus.
    Und fast hätte Betsy nach Spencer Ausschau gehalten.
    Es war einer von jenen kurzen Momenten, in denen das Gehirn
sich einfach weigerte, einen bestimmten Weg zu beschreiten, und man vergaß, wie schrecklich jetzt alles war, so dass man für den Bruchteil einer Sekunde dachte, dass das alles nur ein schrecklicher Alptraum war. Spencer würde gleich durchs Tor kommen, den Rucksack über die Schulter gehängt, in der typischen, krummen Teenagerhaltung. Betsy würde ihn ansehen, denken, dass er etwas blass war und mal wieder zum Friseur musste.
    Die fünf Trauerphasen kannte man  – Nichtwahrhabenwollen und Isolierung, Zorn, Verhandeln, Depression, Akzeptanz  – bei so einer Tragödie vermischten sie sich allerdings ziemlich stark. Man wollte es nie wahrhaben. Und irgendwo blieb auch immer Zorn. Und schon die Idee der Akzeptanz war obszön. Daher sprachen manche Psychologen lieber vom Loslassen. Sprachlich war das zwar besser, aber auch da hätte sie schreien können.
    Was wollte sie hier jetzt eigentlich.
    Ihr Sohn war tot. Und daran änderte sich nichts, auch wenn sie noch so lange mit seinen Freunden sprach.
    Ihr Gefühl sagte ihr allerdings etwas anderes.
    Also war Spencer an dem Abend vielleicht nicht allein gewesen. Was änderte das? Es war zwar ein Klischee, aber davon wurde er auch nicht wieder lebendig. Was suchte sie hier?
    Eine Möglichkeit, loslassen zu können?
    Da sah sie Adam.
    Er war allein. Sein Rucksack schien ihn herunterzuziehen  – er zog sie alle herunter, wenn sie so darüber nachdachte. Betsy ließ Adam nicht aus den Augen und ging ein paar Schritte nach rechts, um ihm den Weg abzuschneiden. Wie die meisten Jugendlichen ging Adam mit gesenktem Blick. Sie wartete, achtete aber darauf, dass er direkt auf sie zukam.
    Schließlich, als er nah genug war, sagte sie: »Hi, Adam.«
    Er blickte auf und blieb stehen. Er war ein gutaussehender Junge, dachte sie. Das waren sie in diesem Alter eigentlich alle. Aber auch Adam hatte sich verändert. Er hatte eine Grenze überschritten
und war jetzt so groß, kräftig und muskulös, dass er eher ein junger Mann war als ein Jugendlicher. Sie sah noch etwas von der Kindlichkeit in seinem Gesicht, aber sie sah auch so etwas wie Ablehnung.
    »Oh«, sagte er. »Hi, Mrs Hill.«
    Adam bog leicht nach links ab und ging weiter.
    »Kann ich mal kurz mit dir reden?«, rief Betsy ihm nach.
    Er blieb stehen. »Äh, klar. Wieso nicht.«
    Mit sportlicher Lässigkeit kam Adam auf sie zu. Er war schon immer sehr sportlich gewesen. Spencer nicht. War auch das ein Aspekt gewesen? Als Sportler hatte man es in einer Kleinstadt wie dieser sehr viel leichter.
    Knapp zwei Meter vor ihr blieb er stehen. Er konnte ihr nicht in die Augen sehen, aber das konnten die meisten Jugendlichen nicht. Sie sah ihn ein paar Sekunden lang schweigend an.
    »Sie wollten mit mir reden?«, sagte Adam.
    »Ja.«
    Wieder Schweigen. Sie starrte ihn weiter an. Er zierte sich.
    »Tut mir echt leid«, sagte er.
    »Was genau?«
    Die Antwort überraschte ihn.
    »Das mit Spencer.«
    »Wieso?«
    Er antwortete nicht. Sein Blick schoss wild hin und her, nur ihr Gesicht traf er nicht.
    »Adam, sieh

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