Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sie und Allan

Sie und Allan

Titel: Sie und Allan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Rider Haggard
Vom Netzwerk:
als eine Art Empfehlungsschreiben vorgezeigt, und jetzt konnte ich erkennen, daß sie es war, die diesen Auftritt mit den Häuptlingen und ihrem Stammeszauberer inszeniert hatte, um ihren Willen bezüglich meiner Führung des Unternehmens durchzusetzen. Alles in ihrem Verhalten deutete darauf hin, selbst ihre gespielte Unkenntnis von der Existenz dieses Talismans, und daß sie es Hans überlassen hatte, auf ihn hinzuweisen. Was sie vielleicht dadurch bewerkstelligte, daß sie sein Unterbewußtsein beeinflußte. Zweifellos paßte es mit diesen nebulösen Traditionen zusammen, die bei alten Rassen von Wilden so häufig anzutreffen sind, und die, ihrem Mitverschworenen präsentiert, von dem einfachen Volk als heiliges Zeichen anerkannt wurden, wonach alles andere einfach war.
    Eine so einleuchtende Erklärung führte naturgemäß zum Tod aller Illusionen, die ich noch über diese arabische Dame namens Ayesha haben mochte, ich muß jedoch zugeben, daß ich mich mit großem Bedauern von ihnen trennte, wie wir es alle tun, wenn wir glauben, etwas Wunderbares unter den Frauen entdeckt zu haben. Doch es war nun einmal so, und es schien sinnlos, mir weitere Gedanken über sie, ihre Geschichte und ihre Ziele zu machen.
    Also entließ ich sie und alle anderen Gedanken aus meinem Bewußtsein, blickte umher und erfreute mich an der wunderbaren Szenerie, die sich im Mondlicht vor mir auftat. Um die besser sehen zu können, kletterte ich – obwohl ich Furcht vor Schlangen hatte, die sich unter den Steinen verbergen mochten – über einen leichten Anstieg auf den Schutthaufen einer Ruine und von dort auf die Trümmer einer großen Mauer, die, nach ihrer Stärke zu urteilen, einst die Umfassungsmauer eines Forts oder eines Tempels gewesen sein mußte. Auf der Zinne dieser Mauer, etwa siebzig oder achtzig Fuß über dem Niveau der Straße, setzte ich mich und blickte umher.
    Überall um mich herum erstreckten sich die Ruinen der gewaltigen Stadt, jetzt so zerfallen und verlassen wie Babylon. Die majestätische Einsamkeit dieses Ortes war überwältigend. Selbst der Anblick von Kompanien von Kriegern, die nordwärts über die Ebene zogen, mit im Mondlicht glitzernden Speerspitzen, vermochte nicht, dieses Gefühl von Einsamkeit zu mildern. Ich wußte, daß dies die Impis waren, die mir das Schicksal auferlegt hatte zu führen, und die jetzt zu dem Lager zogen, wo ich sie treffen würde. Doch sie zogen in einer solchen Stille dahin, daß nicht ein Laut durch die Nacht drang, daß ich zu glauben geneigt war, es sei eine Geisterarmee des alten Kôr.
    Die Krieger verschwanden, und ich muß wohl in solche Gedanken versunken eingeschlafen sein. Auf jeden Fall erschien mir die Stadt plötzlich so, wie sie zur Zeit ihrer Blüte ausgesehen haben mußte. Ich sah sie im Licht in strahlenden Farben erglänzen; überall Farben; an den bemalten Wänden und Dächern, an den blühenden Bäumen, die die Straßen säumten, und an den hellen Kleidern der Männer und Frauen, die sich zu tausenden auf den Märkten und Plätzen drängten. Selbst die Wagen, die hin und her fuhren, waren farbig, ebenso die unzähligen Banner, die von Palastwänden und Tempeldächern wehten. Der riesige Palast pulsierte von Leben; Bräute wurden in Sänften zur Hochzeit getragen, und die Toten in Särgen zu ihren Gräbern; Schwadronen von Kriegern marschierten, in schimmernde Panzer gekleidet, Händler stritten sich um die Preise, Priester und Priesterinnen in weißen Roben schritten in Prozessionen (und ich fragte mich, wen oder was sie anbeten mochten), Kinder strömten aus den Schulen, ernste Philosophen debattierten im Schatten kühler Arkaden, eine königliche Persönlichkeit schritt, vor sich eine Gruppe von Läufern und von Sklaven umgeben, vorüber, und schließlich sah ich die Masse der Bürger, die ihrem Tagewerk nachgingen.
    Selbst Einzelheiten waren erkennbar, wie die eines Polizisten bei der Verfolgung eines entlaufenen Gefangenen, der einen zerrissenen Strick um den Arm geknotet trug, und der Zusammenstoß zweier Wagen in einer engen Straße, um deren Trümmer sich die gaffenden Nichtstuer sammelten, so wie sie es noch heute tun, wenn zwei Kaleschen oder Pferdedroschken zusammenstoßen, während die Eigner stritten, wütend gestikulierten, und die Polizisten und Kutscher versuchten, ein gestürztes Pferd wieder auf die Beine zu bringen. Doch kein Laut des Streits oder von etwas anderem erreichte meine Ohren. Ich sah es, doch das war alles. Die Stille war

Weitere Kostenlose Bücher