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Sie und Allan

Sie und Allan

Titel: Sie und Allan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Rider Haggard
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Berufs wegen die Pflicht habe, sie von mir fernzuhalten. Natürlich war mir klar, daß die Luft elektrisch aufgeladen war, was meine Empfindungen erklärte, doch wünschte ich ehrlich, das Haus nicht verlassen zu haben.
    Es muß während einer dieser Perioden tiefer Finsternis gewesen sein, als Ayesha auftauchte, um die Parade abzunehmen, denn als es ein wenig heller wurde, sah ich sie vor den Amahagger-Kriegern stehen, umgeben von einigen Frauen und Wachen, und offenbar dabei, eine Ansprache zu halten, denn obwohl ich kein Wort hören konnte, erkannte ich doch an den Gesten ihrer Hände und Arme, daß sie sprach. Wenn sie die Zentralfigur auf einer Bühne gewesen wäre, hätte kein Rampenlicht sie besser herausstellen können als die Lichter des Himmels über ihr. Plötzlich fiel durch die Wolkendecke, aus einem Loch darin, das wie ein Auge aussah, ein blutroter Sonnenstrahl auf sie, so daß allein sie unnatürlich deutlich sichtbar wurde, während überall um sie herum alles in Dunkel gehüllt war, in dem sich undeutlich schattenhafte Gestalten bewegten. Bestimmt sah sie seltsam, sogar unheimlich aus, als sie dort in dem roten Lichtstrahl stand, bis ich, der ich gerade aus einer Schlacht gekommen war, an ›die in Blut getauchten Kleider‹ denken mußte, einer Beschreibung im Alten Testament, das ich oft und gern las. Denn blutrot war sie von Kopf bis Fuß, eine hochaufragende Gestalt des Schreckens und des Zorns.
    Das Auge im Himmel schloß sich, und der Strahl erlosch. Jetzt folgte einer der Intervalle grauen Lichts, und bei ihm sah ich, wie Männer vor sie gebracht wurden, anscheinend von den Gruppen von Gefangenen, die Wachen zu anderen führten, es mochte ein Dutzend sein, die schließlich in einer Linie vor Ayesha standen. Danach sah ich für eine Weile nichts, da Dunkelheit aus allen Teilen des Himmels herabzubrechen schien und alles, was auf Erden geschah, unsichtbar machte. Dann, nach einer Pause von etwa zwei Minuten, während derer absolute Stille herrschte, brach das Gewitter los. Es war ein sehr seltsames Gewitter; nach all meinen Erfahrungen afrikanischer Unwetter kann ich mich an keines erinnern, das ihm auch nur ähnlich war. Es begann mit dem üblichen kalten, heulenden Wind. Dieser erstarb bald wieder, doch plötzlich war der ganze Himmelsbogen von winzigen Blitzen erfüllt, die waagrecht zu zucken schienen, anstatt senkrecht zur Erde herabzufahren, und ein Gewebe feuriger Strahlen über den Himmel zogen.
    Im Licht dieser Blitze, die irgendwie an einen dichten Schauer von Sternschnuppen erinnerten, obwohl ihre Geschwindigkeit und ihre Helligkeit größer waren, sah ich, daß Ayesha die Männer ansprach, die vor sie gebracht worden waren und nun niedergeschlagen und mit gesenkten Köpfen in einer langen Reihe standen, völlig frei, da ihre Wachen zurückgetreten waren.
    »Wenn ich eine Belohnung von Rindern oder Frauen erhalten soll, würde ich bestimmt ein fröhlicheres Gesicht machen als diese Mondanbeter, Baas«, sagte Hans nachdenklich.
    »Vielleicht käme es darauf an, wie diese Rinder und Frauen sind«, meinte ich. »Wenn die Rinder das Blutharnen hätten und deine Herde damit krank machen würden, oder wenn es wilde Bullen wären, die dich auf die Hörner nehmen, und wenn die Frauen alt und mager und zänkisch wären, dann würdest du sicher auch so ein Gesicht machen wie diese Männer, Hans.«
    Ich weiß nicht recht, was mich diese Worte wählen ließ, doch glaube ich, daß es ein Gefühl bevorstehenden Todes oder Unheils war, vielleicht hervorgerufen von der bedrohlichen Umgebung, die von der Natur und dem seltsamen Drama, deren Zeuge wir waren, gebildet wurden.
    »Daran habe ich nicht gedacht, Baas«, gestand Hans ein. »Doch es ist wahr, daß nicht alle Gaben gut sind, besonders nicht solche von Hexen.«
    Während er das sagte, erstarben die kleinen, gewebeförmigen Blitze und eine tiefe Dunkelheit senkte sich herab, durch welche, hoch über unseren Köpfen, ein Wind heulte.
    Plötzlich erstrahlte der ganze Himmel in einem hellen Licht, und in seinem Schein sah ich Ayesha hoch aufgerichtet und reglos stehen, ihre Hand auf die vor ihre stehende Linie der Männer ausgestreckt. Das Himmelsfeuer erlosch und wurde von Dunkelheit gefolgt, flammte jedoch Sekunden später mit einem noch intensiveren Licht wieder auf, das wie eine Feuerkaskade zur Erde herabstürzen zu schien und sich zu einer Art Flammenstrahl an der Stelle konzentrierte, an der Ayesha stand.
    Durch die Flamme, oder vielmehr in

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