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Sie und Allan

Sie und Allan

Titel: Sie und Allan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Rider Haggard
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breiten Fundamente, von den Wogen der Zeit zu Kavernen und Palästen ausgehöhlt, in denen mein Geist wohnt. Also sieh mich als weise und schön, doch mit einer dir unbekannten Seele und bete darum, daß du sie irgendwann in der Zukunft in ihrer ganzen Pracht erblicken kannst.
    Wenn du anders gewesen wärst, als du bist, hätte ich dir vielleicht einige Geheimnisse enthüllt, dir die Parabel von vielem, das ich dir in Metaphern und verschiedenen Formen der Fabel andeutete, klargemacht, ja, und dir die große Gabe von Macht und Langlebigkeit überreicht. Doch von denen, die einen Schrein aufsuchen, werden zwei Dinge erwartet: Anbetung und Glaube, da ohne diese das Orakel stumm bleibt und die heilenden Wasser nicht fließen.
    Ich bin dieser Schrein, doch mir hast du keine Verehrung zuteil werden lassen, bis ich sie durch einen weiblichen Trick erzwang, und in mich setzt du keinen Glauben. Deshalb wird für dich das Orakel nicht sprechen, werden die Wasser der Erlösung nicht fließen. Und doch mache ich dir keinen Vorwurf, der du so bist, wie du geschaffen wurdest, und wie die harte Welt dich geformt hat.
    Und so trennen wir uns voneinander. Denk jedoch nicht, daß ich weit fort von dir bin, weil du mich in der Zeit, die kommt, nicht sehen wirst, da ich, die die Menschen Ayesha nennen, genau wie Isis, deren Majestät ich immer noch allein auf Erden vertrete, in allen Dingen bin. Ich sage dir, daß ich nicht Eines sondern Vieles bin, und sowohl Hier wie Überall. Wenn du nachts unter den Sternen des Himmels stehst und zu ihnen emporblickst, denk daran, daß durch sie meine Augen dich sehen; wenn der sanfte Abendwind weht, so ist es mein Atem, den du auf deiner Stirn spürst, und wenn der Donner grollt, so bin ich es, die auf den Blitzen reitet und mit dem Sturm rast!«
    »Wollt Ihr damit etwa sagen, daß Ihr die Göttin Isis seid?« fragte ich verwirrt. »Denn wenn dem so ist, warum habt Ihr mir dann gesagt, daß Ihr lediglich ihre Priesterin seid?«
    »Nimm es, wie du willst, Allan. Nicht alle Töne erreichen dein Ohr; nicht alle Anblicke sind deinem Auge sichtbar, und deshalb bist du taub und blind. Vielleicht weilt der Geist dieser unsterblichen Göttin, da ihre Schreine zu Staub zerfallen sind und ihre Anbetung dem Vergessen anheimfiel, in der Gestalt dieser Frau auf Erden, obwohl ihr innerstes Wesen weit entfernt residiert; und vielleicht ist ihr anderer Name ›Natur‹, meine Mutter, und die deine, Allan. Und schließlich, besitzt nicht auch die Welt eine Seele – und könnte ich nicht von dieser Seele ein Teil sein – ja, und du ebenfalls? Und was das andere betrifft: sind der Priester und das Göttliche, vor dem er sich verneigt, nicht oft dasselbe?«
    Ich hatte bereits die Antwort auf der Zunge: ja, wenn der Priester ein Schurke ist oder unter Halluzinationen leidet, doch ich äußerte sie nicht.
    »Lebe wohl, Allan, und nimm die Segenswünsche Ayeshas mit dir. Du wirst sicher zu deinem Heim zurückkehren, denn es ist alles vorbereitet, um dich dorthin zu bringen, und deine Gefährten mit dir. In Sicherheit wirst du noch viele Jahre lang leben, bis deine Zeit gekommen ist, und dann wirst du vielleicht jene, die du verloren hast, freundlicher vorfinden, als sie heute abend zu sein schienen.«
    Sie erhob sich und richtete sich zu ihrer vollen Größe auf; ein majestätischer Anblick. Dann winkte sie mich zu sich heran, denn auch ich war aufgestanden und von der Empore herabgestiegen.
    Ich trat vor sie, sie beugte sich zu mir herab und hielt ihre Hände über meinen Kopf, wie um mich zu segnen. Dann deutete sie wortlos auf den Vorhang, der in diesem Augenblick zur Seite gezogen wurde, von wem, weiß ich nicht.
    Ich schritt auf ihn zu, und als ich ihn erreicht hatte, wandte ich mich noch einmal und sah sie zum letzten Mal an. Sie stand noch immer wie zuvor, doch jetzt war ihr Blick zu Boden gerichtet, und ihr Gesicht zeigte wieder einen Ausdruck abwesenden Grübelns, als ob sie vergessen hätte, daß ein Mann wie ich überhaupt existierte.

23
     
    Was Umslopogaas sah
     
     
    Wie in einem Traum ging ich durch die äußere Halle, in der die reglosen Wachen standen, die wie Statuen wirkten, und durch den Torbogen. Hier blieb ich für einen Moment stehen, um meinen Geist in der vertrauten, nächtlichen Umgebung zu beruhigen, und weil ich glaubte, jemanden durch das Dunkel auf mich zukommen zu hören, und an einem Ort wie diesem, wo ich mir viele Feinde gemacht haben mochte, war es gut, vorbereitet zu sein.
    Wie

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