Sie und Allan
Richtung getreckt, die er mir angegeben hatte, um festzustellen, ob er auch auf diesem praktischen Gebiet zu Recht der ›Öffner von Straßen‹ genannt wurde, denn ich fand ständig einen brauchbaren Weg vor mir, obwohl links und rechts oft kein Durchkommen war. So kam es, daß wir, wenn wir auf Berge stießen, sie stets an einer Stelle erreichten, wo wir einen Paß entdeckten, einen Sumpf immer dort, wo ein Streifen höherliegenden Bodens durch den Morast verlief, und so weiter. Auch die Stämme, die wir während unserer Reise trafen, erwiesen sich als freundlich, obwohl vielleicht der Anblick Umslopogaas' und seiner finsteren Krieger, die ich, etwas respektlos, seine Zwölf Apostel nannte, etwas zu ihrer friedfertigen Einstellung beigetragen haben mag.
So glatt kamen wir vorwärts, und so gut war unsere Route, und in genau richtigen Abständen von Wasserstellen markiert, daß ich letztlich zu dem Schluß kam, wir folgten einer alten Straße, die in einer vergessenen Geschichtsepoche von Süden nach Norden verlaufen war. Oder, um ehrlich zu sein, es war der immer aufmerksame Hans, der diese Feststellung traf, nach vielen kleinen Anzeichen, die meiner Aufmerksamkeit entgingen. Ich will mich nicht damit aufhalten, sie im einzelnen anzuführen, doch eines davon war, daß an mehreren hochgelegenen Stellen in ziemlich trockenem Land die Wasserlöcher ausgeschachtet und nach Art alter Brunnen mit Steinen eingefaßt waren. Offensichtlich folgten wir einem alten Handelsweg, der vielleicht in einer lange vergessenen Ära angelegt worden war, in der Afrika zivilisierter war als heute.
Als wir während der dritten Woche unseres Trecks über eine nebelige Hochebene zogen, wo die Sonne sich in dieser Jahreszeit manchmal nicht vor zehn Uhr sehen läßt und um drei oder vier Uhr nachmittags wieder verschwindet, und wo wir zweimal durch zu dichten Nebel aufgehalten wurden, stießen wir auf ein seltsames, nomadisches Volk, dessen Menschen in beweglichen Grashütten zu leben schienen und große Herden von Ziegen und langschwänzigen Schafen hielten.
Die Leute liefen anfangs vor uns davon, doch als sie feststellten, daß wir ihnen nichts Böses wollten, wurden sie zutraulich und brachten uns Milch und auch eine Art von Schnecken oder Raupen, die sie anscheinend aßen. Hans, der ein großer Linguist war, entdeckte eine Sprache, oder eine Mischung mehrerer Sprachen, durch die er sich mit einigen von ihnen verständigen konnte. Sie erklärten ihm, daß sie noch nie einen weißen Mann gesehen hätten, obwohl die Väter ihrer Väter viele von ihnen gekannt hätten. Sie fügten jedoch hinzu, daß wir, wenn wir weiterhin sieben Tage lang geradeaus führen, zu einem Ort kommen würden, an dem ein weißer Mann lebte, ein Mann, der, wie sie gehört hätten, einen langen Bart trüge und Tiere mit dem Gewehr tötete, so wie wir es taten.
Von dieser Information ermutigt zogen wir weiter, jetzt auf allmählich abfallendem Gelände, hinaus aus den Nebeln und in ein freundlicheres Land. In der Tat war das Feld hier wunderbar und bestand aus einer weiten, sanft gewellten Ebene, wie die des ostafrikanischen Plateaus, mit einer tiefen, schokoladenfarbenen, fruchtbar aussehenden Krume bedeckt, wie wir an den Stellen erkennen konnten, an denen der Regen Dongas {*} ausgewaschen hatte. Auch das Klima war angenehm, schien kühl und gesund zu sein. Es war ein Jammer, so ein Land brach liegen zu sehen, bewohnt lediglich von zahllosen, großen Herden aller möglichen Tiere, denn Menschen schienen hier nicht zu leben, zumindest sahen wir keine.
Weiter treckten wir, und unser Weg führte nach wie vor leicht bergab, bis wir schließlich in der Ferne ein riesiges Meer von Busch-Veld sahen, das, wenn ich richtig vermutete, bereits zum Ufergebiet des Sambesi gehörte. Außerdem sahen wir, oder vielmehr Hans, der Augen wie ein Habicht hat, etwas anderes, nämlich Gebäude von einer mehr oder weniger zivilisierten Art, die im Schatten von Bäumen am Rand eines Baches standen, mehrere Meilen diesseits von dem breiten Buschgürtel.
»Sieh, Baas«, rief Hans, »diese Wanderer haben nicht gelogen; dort ist das Haus des weißen Mannes. Ich frage mich, ob er etwas Stärkeres trinkt als Wasser«, setzte er mit einem Seufzen hinzu, und seine gelbe Kehle verengte sich in liebevoller Erinnerung.
5
Inez
Wir hatten das Haus kurz nach Sonnenaufgang entdeckt, und gegen Mittag erreichten wir es. Als wir uns ihm näherten, sah ich, daß es unter zwei riesigen
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