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Sie und Allan

Sie und Allan

Titel: Sie und Allan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Rider Haggard
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Baobabs {*} stand, in Südafrika nennen wir sie Banyan-Bäume, deren Früchte gern von Affen gefressen werden. Es war ein Haus mit einem Schilfdach und weißgetünchten Wänden, das von einer Veranda umgeben war, offenbar von dem gängigen holländischen Typ. In einer Entfernung standen weitere Gebäude, Schuppen und Remisen, und hinter und zwischen denen eine Anzahl von Eingeborenenhütten. Noch weiter entfernt lagen Felder mit sprießendem Getreide: außerdem sah ich mehrere Rinderherden auf den Hängen grasen. Offenbar war unser weißer Mann reich.
    Umslopogaas musterte alles mit dem Auge eines Kriegers und sagte: »Dies muß ein sehr friedliches Land sein, Macumazahn, wo man keinen Angriff fürchtet, denn Verteidigungsanlangen kann ich nicht entdecken.«
    »Ja«, antwortete ich. »Und warum auch nicht, mit einer Wildnis dahinter und Busch-Veld und einem großen Strom davor.«
    »Männer können Ströme überqueren und durch Busch-Veld reisen«, antwortete er und schwieg dann.
    Bis zu diesem Zeitpunkt hatten wir keinen Menschen gesehen, obwohl man annehmen sollte, daß ein Wagen, der auf das Haus zutreckte, ein so seltener Anblick war, daß er einige Aufmerksamkeit hervorrufen mußte.
    »Wo könnten sie sein?« fragte ich.
    »Wahrscheinlich schlafen sie alle, Baas«, sagte Hans, und wie es sich herausstellen sollte, hatte er recht. Die ganze Bewohnerschaft des Anwesens gab sich der mittäglichen Siesta hin.
    Schließlich hatten wir uns dem Haus so weit genähert, daß ich den Wagen anhielt und vom Kutschbock herabstieg, um nachzusehen. Und in diesem Augenblick trat jemand aus dem Haus, und der Anblick erstaunte mich enorm: es war eine außergewöhnlich hübsche junge Frau. Sie war groß, hatte große dunkle Augen, ebenmäßige Gesichtszüge, eine ziemlich blasse Haut, und dieses Gesicht zeigte den traurigsten Ausdruck, den ich je bei einem Menschen gesehen hatte. Offensichtlich hatte sie das Geräusch des Wagens gehört und war herausgekommen, um nach seiner Ursache zu sehen, denn sie war barhäuptig, und ihr Kopf war nur von ihrem blauschwarzen Haar bedeckt. Als sie den riesigen Umslopogaas mit seiner im Sonnenlicht blitzenden Axt und seine wild wirkende Leibwache sah, stieß sie einen kleinen Schrei aus und hatte den nicht unnatürlichen Instinkt, zu fliehen.
    »Keine Angst!« rief ich und trat hinter den Ochsen hervor; ich hatte englisch gesprochen und überlegte, noch bevor die Worte über meine Lippen gekommen waren, daß es nicht den geringsten Grund zu der Annahme gab, sie könnte diese Sprache verstehen. Wahrscheinlich war sie Holländerin, oder Portugiesin, doch wurde ich von irgendeinem Instinkt getrieben, sie englisch anzusprechen.
    Zu meiner Überraschung antwortete sie mir in derselben Sprache, wenn auch, wie ich gestehe, mit einem sonderbaren Akzent, den ich nicht lokalisieren konnte, da er weder schottisch noch irisch war.
    »Ich danke Ihnen«, sagte sie. »Ich, Sir, war verängstigt. Ihre Freunde wirken ...« – hier mußte sie nach dem richtigen Wort suchen – »furchterregend.«
    Ich lachte über das ungewöhnliche Adjektiv und antwortete: »Das sind sie auch auf ihre Weise, werden jedoch weder Ihnen noch mir etwas zuleide tun. Aber, junge Frau, sagen Sie mir, dürfen wir hier ausspannen? Vielleicht kann Ihr Mann ...«
    »Ich habe keinen Mann, ich habe nur einen Vater, Sir.« Sie seufzte.
    »Nun, darf ich dann mit Ihrem Vater sprechen? Mein Name ist Allan Quatermain, und ich befinde mich auf einer Forschungsreise ins Land jenseits des Sambesi.«
    »Ja, ich werde ihn wecken. Er schläft. Jeder hier schläft um die Mittagszeit – außer mir«, setzte sie mit einem weiteren Seufzen hinzu.
    »Warum folgen Sie nicht ihrem Beispiel?« sagte ich in scherzhaftem Ton, denn diese junge Frau war mir rätselhaft, und ich wollte wissen, was mit ihr los war.
    »Weil ich sehr wenig schlafe, Sir, die ich viel denken muß. Zum Schlafen werden wir alle bald sehr viel Zeit haben, nicht wahr?«
    Ich starrte sie an und fragte sie dann nach ihrem Namen, weil mir nichts anderes zu sagen einfiel.
    »Mein Name ist Inez Robertson«, antwortete sie. »Ich werde jetzt gehen und meinen Vater wecken. Bitte spannen Sie inzwischen Ihre Ochsen aus. Sie können mit den anderen Rindern grasen; sie sehen aus, als ob sie etwas Ruhe nötig hätten, die armen Tiere.« Dann wandte sie sich um und verschwand im Haus.
    Inez Robertson? dachte ich. Das ist eine seltsame Kombination. Englischer Vater und portugiesische Mutter vermutlich.

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