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Sie und Allan

Sie und Allan

Titel: Sie und Allan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Rider Haggard
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die weit über mir stehen und für die ich lediglich Hand und Werkzeug bin, da diese Mächte bestimmt haben, daß ich lieben soll, und auch, daß ich diese Liebe rächen muß.«
    Sie sank auf ihre Couch zurück, wie von einem Gefühl überwältigt, dessen Ursache ich nur erraten konnte, und barg das Gesicht in ihren Händen. Dann ließ sie sie wieder sinken und fuhr fort.
    »Fragt mich nicht mehr nach diesen Leiden. Sie sollen bis zur Stunde ihrer Wiedererweckung schlafen, wie auch ich es tun möchte, wenn ich es nur könnte – ah! Wenn ich es nur könnte! –, deren ständige Begleiter durch die endlosen Jahrhunderte sie waren. Doch leider bleibt mir durch das Geheimnis, das mir enthüllt wurde, die Gnade des Todes versagt, durch den ich vielleicht Ruhe gefunden hätte, und ich muß mich, da ich menschlich bin, wenn auch halb göttlich, noch immer um irdische Dinge kümmern. Hört, Wanderer! Nachdem das, was das Schicksal für mich bestimmt hatte, geschehen und ich in meiner Agonie der Einsamkeit und des Leides zurückgeblieben war, und nachdem ich auch vom Kelch des langen Lebens getrunken hatte und mich, wie der Prometheus des Mythos, an diesen unveränderlichen Felsen geschmiedet fand, wo Tag für Tag die Adler der Reue mein lebendes Herz aus meinem Körper reißen, das während der schlaflosen Nächte in dieser Frauenbrust immer wieder nachwächst, wurde ich in die kleinlichen Querelen des Fleisches gestürzt, die ich jedoch willkommen hieß, da sie mir hin und wieder Vergessen brachten. Als die wilden Bewohner dieses Tales erkannten, daß eine Mächtige unter ihnen war, eine Dienerin der Herrin des Mondes, sammelten sich die, welche noch ihre Göttin Lulala verehrten, um mich, während solche, die Rezu anbeteten, mich zu stürzen versuchten.
    ›Diese‹, sagten sie, ›ist die zur Erde herabgestiegene Göttin Lulala. Im Namen Rezus, laßt uns sie töten und ein Ende mit ihr machen‹, denn diese Narren glaubten, daß ich getötet werden könnte. Allan, ich habe sie geschlagen, doch ihren Häuptling, der ebenfalls Rezu heißt, und den sie für eine Emanation des Gottes halten, die auf Erden wandelt, konnte ich nicht töten.«
    »Warum nicht?« fragte ich.
    »Aus diesem Grund, Allan: Zu einer lange vergangenen Zeit hat sein Gott ihm das Geheimnis verraten, das auch mir enthüllt wurde. Auch er hat vom Kelch des Lebens getrunken und lebt unbeschadet der ablaufenden Zeit weiter, so daß seine Macht der meinen gleich ist und keiner meiner Speere sein Herz treffen kann, das von dem Panzer seines bösen Gottes geschützt wird.«
    »Was für ein Speer kann es dann treffen?« fragte ich, hilflos in meiner Verwirrung.
    »Keiner, Allan, doch eine Axt könnte es erreichen, wie ich glaube. Doch laßt mich berichten: Für viele Generationen herrschte eine Art Frieden zwischen den Verehrern Lulalas, die mit mir hier auf der Ebene von Kôr leben, oder besser gesagt, den Verehrern Ayeshas, denn für diese Menschen bin ich Lulala, und den Verehrern Rezus, die in den Festen jenseits der Berggipfel wohnen. Während der letzten Jahre jedoch wurde ihr Häuptling Rezu, nachdem er alles Land in der Umgebung verwüstet und entvölkert hatte, unruhig, und droht mit einem Angriff auf Kôr, das nicht stark genug ist, um ihm standhalten zu können. Außerdem sucht er nach einer weißen Königin, die mit ihm herrschen soll, offenbar um meine Majestät zu verhöhnen.«
    »Ist das der Grund dafür, daß diese Kannibalen die Tochter meines Gefährten, des Captains, der der Rächer genannt wird, mitgenommen haben?« fragte ich.
    »So ist es, Allan, und sehr bald wird er verkünden lassen, daß ich tot oder geflohen bin, falls er das nicht bereits getan hat, und daß diese neue Königin an meiner Stelle erschienen sei, in der Hoffnung, daß es ihm gelingen könnte, viele meiner Anhänger abtrünnig werden zu lassen, wenn er dieses Mädchen bei seinem Angriff auf Kôr mit sich führt, verschleiert wie ich es bin, da kein Mann jemals mein Gesicht gesehen hat. O Allan, deshalb muß dieser Rezu sterben – wenn er getötet werden kann, denn sonst würde er, auch wenn es ihm unmöglich ist, mich zu verletzen, mein Volk töten oder vertreiben, und ich hätte niemanden, über den ich herrschen könnte, und würde allein an diesem Ort zurückbleiben, an dem ich durch ein Schicksalsdekret verweilen muß, bis der, auf den ich warte, zurückkehrt. Ihr werdet jetzt insgeheim denken, daß Tod oder Vertreibung von solchen Wilden kein großer Verlust wäre,

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