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Sie und Er

Sie und Er

Titel: Sie und Er Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea de Carlo
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junior.
    »Das Wichtigste ist, Bücher zu machen, solange es geht«, sagt Zattola.
    »Ganz egal welche, natürlich«, sagt Deserti.
    »O nein, keineswegs«, sagt Zattola. »Aber letztlich entscheiden darüber die Leser.«
    »Dritte Generation, zweite Degeneration«, sagt Deserti. »In Richtung Auflösung.«
    Wahrscheinlich hört Zattola ihm gar nicht zu, denn er nickt, als wäre er einverstanden.
    »Jedenfalls sind hier eintausendfünfhundert Bücher gespeichert«, sagt Pino Noce, vielleicht in dem Versuch, das Gespräch aus dem Gebiet der Polemik herauszulenken, auf dem er sich nicht auskennt und sich nicht wohl fühlt.
    »Also ist es nicht Ihres, vermute ich«, sagt Deserti.
    Pino Noce schneidet eine Grimasse, als würde er den Sinn der Bemerkung nicht erfassen, aber an dem raschen Aufblitzen in seinen Augen sieht man, dass er viel schlauer ist, als er zu erkennen gibt.
    Zattola wirft einen Blick auf seine Armbanduhr. Schwerfällig steht er auf, der große Bauch, die verengten Arterien, seine labyrinthischen Gehirnwindungen verlangsamen seine Bewegungen. »Es ist zehn nach eins, wir sollten gehen.«
    »Wohin?«, fragt Deserti, bloß um ihn in Schwierigkeiten zu bringen.
    »Eine Kleinigkeit essen«, sagt Zattola, lässt seine kleinen Augen von Pino Noce zur Tür wandern.
    »Ach, gar kein richtiges Mittagessen?«, sagt Deserti.
    Einen Moment lang blitzt Groll in Zattolas Augen auf, aber er beherrscht sich sofort wieder, lächelt. Es ist eine Mischung aus Überheblichkeit und Unverbindlichkeit, vielleicht noch mit einem Schuss Schuldgefühl: heraus kommt dieser ewig vage, unergründliche Blick.
    »Warum kommen Sie nicht mit?«, fragt Pino Noce, so voll und ganz in der Rolle des begeisterten Fans gefangen, dass er die Spannung zwischen den anderen beiden einfach übergeht.
    »Aber gewiss«, sagt Zattola. »Ich habe mich nicht zu fragen getraut, da ich nicht wusste, ob du nicht erst frühstücken müsstest.« Er lacht. Selbst gegen Peinlichkeit ist er außerordentlich unempfindlich, daher auch sein mangelnder Sinn für Humor.
    »Ich habe zu tun«, sagt Deserti.
    »Wir bleiben nicht lang!« Pino Noce faltet die Hände in einer halb karikaturhaflen Bittgeste. »Wann habe ich je wieder Gelegenheit, mit Daniel Deserti essen zu gehen?« Unter dem ganzen Überschwang verbirgt sich eine berechnende Vorsicht, man liest sie in seinen Augen: eine Grundunsicherheit, ein Abwägen von Möglichkeiten und ein latenter Neid, der jederzeit ausbrechen kann.
    Zattola schlüpft in sein hellblaues Baumwolljackett mit dunkelblauen Streifen, von einem namhaften Designer zugeschnitten, um seine ausufernden Formen mit Anstand zu bekleiden. Pino Noce setzt sich eine Kappe der New York Rangers auf, dazu eine modische Sonnenbrille, und geht ins Vorzimmer, um Caterina die Hände abzuküssen, ihr Dummheiten zuzuflüstern und sie zum Lachen zu bringen. Wenn er mit ihr ins Bett gehen wollte, würde es ihm vermutlich problemlos gelingen, dank der unwiderstehlichen Kraft der Massenkommunikationsmittel.
    Im Treppenhaus wendet Zattola sich zum Aufzug, aber Deserti geht auf die Treppe zu, und Pino Noce läuft ihm nach. In seinen gefederten Schuhen springt er hinter Deserti die Stufen hinunter und sagt: »Wissen Sie, dass ich ohne den Blick des Hasen nie zu schreiben angefangen hätte? Ich schwöre es!«
    »Schreiben Sie?«, fragt Deserti; er weiß, dass er solche Spiele gut beherrscht.
    »Kleinigkeiten, im Vergleich zu Ihnen«, sagt Pino Noce, ohne dass er seine Enttäuschung ganz verbergen kann. »Aber wir versuchend jedenfalls.«
    »Bravo, meinen Glückwunsch«, sagt Deserti.
    »Danke!«, sagt Pino Noce. »Wenn Sie das sagen! Wow, eine Ehre!«
    Instinktiv würde Deserti ihn jetzt am liebsten am Arm packen, die Treppe hinunterwerfen, ihm dann noch ein paar Fußtritte versetzen und ihn Zattolas Fürsorge überlassen.
    Sie treten auf die Straße hinaus, wo ratternd eine gelbe Straßenbahn vorbeifährt. Zattola kommt als Letzter, schnaufend, als wäre er ebenfalls die drei Stockwerke zu Fuß gegangen. Er sieht sich um, sagt: »In Ordnung.« Er kann es kaum erwarten, mit seinem Autor, dem Goldesel, zum Essen zu gehen, will aber die alte Glorie des Verlags nicht verärgern, die ja, falls ein sehr unwahrscheinliches Wunder geschähe, vielleicht doch noch eine Menge Exemplare verkaufen könnte und die auf jeden Fall ein Aas ist. Er löst den rechten Arm ein wenig von dem massigen Körper, wie um zu sagen, dass sich ihre Wege nun leider trennen.
    »Ich gehe auch

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