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Sie und Er

Sie und Er

Titel: Sie und Er Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea de Carlo
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wenn man in seiner Gegenwart in der dritten Person von ihm spricht.
    »Meine Mama!« Pino Noce setzt einen seiner genau einstudierten infantilen Gesichtsausdrücke auf. »Sie hat mir den Riss zu lesen gegeben! Sie gehört zu Ihren größten Fans!«
    »Entschuldigen Sie, meine Herren?«, sagt Zattola hinter ihnen. Er hat sein Telefongespräch beendet, ist stehen geblieben und deutet mit Zeigefinger und Bauch auf den Eingang eines Restaurants.
    »Ich gehe«, sagt Deserti entschlossen.
    Doch Pino Noce fängt wieder an zu betteln, ärger als vorher im Verlag. Er mimt eine Art Verbeugung des Götzendieners mit erhobenen Handflächen: »Maestro, trinken Sie wenigstens etwas mit uns! Schenken Sie uns noch zehn Minuten Ihrer kostbaren Zeit! Zehn Minuten!«
    Deserti schaut Zattola an, der schon die Klinke der Tür zum Restaurant in der Hand hält. »Nur ein Glas«, sagt er.
    Pino Noce wirft einen Arm in die Luft, dreht sich um sich selbst und schreit: »Yesssss!«, als hätte er soeben wer weiß was gewonnen.
    Zattola drückt die Tür auf; man weiß nicht, ob Zufriedenheit oder Ärger aus seinem stumpfen Ausdruck spricht.
    Das Restaurant ist ein ziemlich düsterer Ort, wo Deserti in der Vergangenheit schon öfter gewesen ist, das erste Mal mit Edgardo Zattola und später alle paar Jahre mit Armando. Das letzte Mal muss etwa fünf Jahre her sein, denn da war auch Roberta Colajanni dabei, die sich Notizen in ihr Heftchen machte - nach dem enttäuschenden Verkauf seines vorangegangenen Buches setzte man nur sehr vorsichtige Hoffnungen in sein neues. Als Pino Noce eintritt, sind sogar die Kassiererin am Eingang und der graue Oberkellner elektrisiert; wortlos wetteifern zwei Kellner darum, wer sie an den Tisch begleiten darf.
    Zattola nimmt auf seinem Stuhl Platz wie auf einem Thron; er schiebt einen Grissino in den Mund, studiert eingehend die Weinkarte. Seine angeborene Langsamkeit wird im Restaurant zu einer Art ritueller Feierlichkeit, die bestätigt, dass Essen für ihn viel wichtiger ist, als Bücher zu veröffentlichen oder sonst etwas. Deserti bereut schon, dass er mitgekommen ist, er fühlt sich in der Falle und bestellt sich einen doppelten Wodka.
    Der Kellner, der sie die anderen Male mit Leichenbittermiene bediente, benimmt sich heute vor Pino Noce fast wie ein Clown: Halb komödiantisch erläutert er das Menü und die Tagesgerichte, und während er die Bestellungen aufnimmt, gestikuliert er und schneidet Grimassen. Einige der Gäste an den anderen Tischen drehen sich unauffällig um und machen einander kleine Zeichen.
    Deserti denkt, dass jeder von ihnen einen beträchtlichen Teil seines Lebens damit verbringt, sich mit Bildern und Geräuschen aus dem Fernsehen berieseln zu lassen und Namen, Gesichter und Verhaltensweisen mit einer Aufmerksamkeit zu speichern, die zwar nicht immer gleich, aber jedenfalls intensiver ist als die, die sie ihrem eigenen realen Leben widmen. Er denkt, dass er, wenn Pino Noces Ruhm sogar bis in diese finstere bürgerliche Höhle im Zentrum von Mailand gedrungen ist, wirklich kaum mehr eine Chance hat, im Rennen zu bleiben. Er ist aus dem Spiel ausgeschieden, besser, er schaut dieser Tatsache ins Auge; er könnte auch das Meisterwerk des Jahrhunderts schreiben, niemand würde es merken.
    Der Kellner bringt eine Flasche Dolcetto delle Langhe für Zattola, Bier für Pino Noce und den doppelten Wodka für Deserti, stellt alles auf den Tisch mit drei halben Pirouetten, die wie für eine versteckte Fernsehkamera gemacht sind.
    Pino Noce hebt sein Bierglas: »Auf den großen Meister!«
    »Prost«, sagt Zattola lahm.
    Deserti stößt mit ihnen an, ohne zu lächeln, kippt einen Schluck Wodka hinunter; das anfängliche Gefühl von Erleichterung verwandelt sich beinahe sofort wieder in heftigen Ekel. Er schaut Pino Noce an: »Wie sind Sie eigentlich darauf gekommen, ein Buch zu schreiben?«
    »Duzen Sie mich doch bitte!«, sagt Pino Noce in seiner Rolle als bescheidener, umgänglicher Junge.
    Deserti fixiert ihn wortlos.
    Pino Noce hebt die Hände, um kundzutun, dass er sich seiner Grenzen vollkommen bewusst ist. »Toto Fucarillo, mein Manager, ist auf die Idee gekommen, ohne seinen Zuspruch hätte ich das nie gewagt. Und Dottor Zattola hatte dann die Güte, an das Projekt zu glauben.«
    »Bravo!« Deserti richtet seinen Blick auf Zattola.
    »Nun, Ein Goldjunge hat mit einem Schlag vierhunderttausend Exemplare verkauft«, sagt Zattola. »Dann kam der Film heraus, und einschließlich

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