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Sie und Er

Sie und Er

Titel: Sie und Er Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea de Carlo
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Stefanos Blick auf.
    »Es ist nicht nötig«, sagt sie. »Ich habe es dir doch erklärt.« Sie fühlt, wie sie errötet; sie beugt sich vor und schaut aus dem Fenster auf die Straße, auf die rechts und links am Rand des Bürgersteigs parkenden Autos.
    »Langfristig gesehen doch.« Stefanos Stimme zittert leicht. »Wir können nicht ewig so weitermachen.«
    »Warum nicht?«, fragt sie. Ihre Angst schlägt langsam in Panik um; sie wechselt ständig ihre Haltung.
    »Weil wir uns früher oder später entscheiden müssen«, erwidert Stefano. »Die Blockade überwinden.«
    Sie lehnt sich an das Küchenbord, während ihr ein Strom unkontrollierbarer Bilder durch den Kopf geht: morgens, abends, samstags, sonntags, heimkommen, aufwachen, einschlafen, Abendessen, Kino, Kaffee, Autofahrten, Stadtspaziergänge, ständiges Nebeneinander in geschlossenen Räumen.
    »Es ist so, Mäuschen«, sagt Stefano. »Das weißt du genau.«
    Sie fragt sich, ob sie nicht ewig so weitermachen könnten wie jetzt, mit zwei Wohnungen, zwei Leben, weder zusammen noch unabhängig: eigentlich schon, meint sie, oder doch nicht? Sie mag nicht darüber nachdenken.
    »Zumindest werden wir richtig viel Platz haben für uns beide, zwei herrschaftliche Bäder, ein Wohnzimmer, wie es sich gehört, so dass wir auch Gäste einladen können, Wandschränke, wo man die Kleider aufhängen kann, ohne sie so durcheinander hineinquetschen zu müssen, dass man nicht mehr weiß, was dir ist und was mir.«
    »Ich glaube nicht, dass ich meine Kleider zwischen deine gehängt habe«, wirft sie ein, mit glühendem Gesicht.
    »Ich weiß«, sagt Stefano. »Du bewahrst sie lieber in Pappschachteln und Koffern auf in diesem traumhaften Appartement, das du mit deiner Stewardess teilst. Wirklich ein Schmuckstück, so wie ihr zwei damit umgeht.« Er lacht, aber sie erinnert sich genau an die paar Mal, die er mit heraufgekommen ist: an seine Art, sich von Möbeln und Wänden fernzuhalten, um sich von dem Ort und auch von dem Geist der beiden Bewohnerinnen zu distanzieren.
    »Ich brauche keine Wandschränke.« Sie schüttelt den Kopf.
    »Für mich sind Wandschränke ein Muss, okay?«, sagt Stefano. »Mir gefällt es, dass jedes Ding seinen Platz hat.«
    »Hast du hier nicht genug Platz?«, fragt sie.
    »Ich habe für Samstag um sechs einen Termin mit der Maklerin vereinbart.« Er hört gar nicht mehr zu. »Um die Wohnung noch einmal mit dir und meiner Mutter anzuschauen. Aber eigentlich habe ich schon zugesagt.«
    »Bist du sicher?« Ihr Blut kreist jetzt kalt, verursacht ihr ein Kribbeln hinter den Ohren.
    »Selbstverständlich bin ich sicher«, sagt Stefano. »Hundert pro. Ich habe der Maklerin gesagt, sie soll schon den Verkaufsvertrag für diese Wohnung aufsetzen.« Er geht mit erhobenem Glas auf sie zu.
    »Wirklich?«, sagt sie.
    »Noch näher bei meiner Mutter zu wohnen ist doch sehr praktisch«, sagt er. »Sie hat gesagt, sie will sich am Kauf beteiligen.«
    »Aber sie wohnt doch jetzt schon fünf Minuten von hier.« Sie sieht Lorella Panbianco lebhaft vor sich: die kleinen grauen Augen, die zu einem ordentlichen Knoten aufgesteckten grauen Haare.
    »Mit ein bisschen Glück ist sie auch noch in zwanzig Jahren in Hochform, hoffe ich«, sagt Stefano. »Aber irgendwann wird selbst sie altern, und die Vorstellung, dann nur zwei Schritte von ihr entfernt zu wohnen, ist doch recht beruhigend. Ganz abgesehen von dem anderen Vorteil.«
    »Welchem Vorteil?«, fragt sie, alarmiert von der irgendwie bedeutsamen Miene, die Stefano aufgesetzt hat.
    »Na ja, sie so in der Nähe zu haben, kann auch für uns sehr bequem sein«, sagt Stefano.
    Sie begreift: immer noch nicht, hat aber langsam einen Verdacht, wie ein Summen im Ohr.
    »Zum Beispiel, wenn wir Lust haben, mal ins Kino zu gehen«, sagt er. »Oder Freunde zu treffen, was weiß ich.« Er wirkt leicht verlegen, lächelt.
    Regungslos registriert sie die winzigen Bewegungen seiner Gesichtsmuskeln.
    Stefano gibt sich einen kleinen Ruck: »Ist doch besser, als jedes Mal einen Babysitter rufen zu müssen, oder?«
    »Einen Babysitter?«, wiederholt sie, beinahe den Atem anhaltend.
    »Mhm«, macht Stefano, erneut lächelnd.
    Sie streicht sich mit den Händen über die Hüften, betrachtet die Proseccoflasche auf der Holzplatte: Der Korken, der daneben liegt, hat sich zu sehr ausgedehnt, um die Flasche wieder verschließen zu können.
    »Also?«, sagt Stefano. »Bist du zufrieden?«
    »Ja«, sagt sie. Doch in Wirklichkeit ist sie erschüttert,

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