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Sie waren zehn

Sie waren zehn

Titel: Sie waren zehn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Lebensmitteltransportern ein Teil der Ladung auf geheimnisvolle Art verschwand. Man vermutete, daß sogenannte ›Springer‹ an die Wagen hechteten, während der Fahrt Kisten und Kartons abwarfen und dann wieder absprangen, ohne daß der Fahrer etwas merkte. Aber wer wirft schon Eimer auf die Straße?
    Sassonow erreichte sicher, aber unbequem zwischen den schwankenden und scheppernden Eimerbergen die Moskauer Vorstadt Perowo und kletterte aus dem Wagen, als die Bremsen kreischten. Die beiden Fahrer – ein alter Mann und eine männlich wirkende Frau mit einem kantigen, harten Gesicht und kurzgeschnittenen Haaren, die einen blauen Arbeitsanzug trug – begrüßten Sassonow wie einen Freund und fragten ihn, wie die Fahrt gewesen sei.
    »Man muß vorliebnehmen mit dem, was man bekommt«, sagte Sassonow weise. »Dank euch, Genossen. Ist hier Perowo ? Da wollte ich hin! Kann man es besser haben, als bis vor die Haustür gefahren zu werden? Kennt jemand das Stahlkombinat ›Maxim Gorkij‹?«
    »Es wird sich finden lassen!« antwortete die herbe Frau mit einer rauhen Stimme. »Kombinate kann man nicht verstecken. Wir laden hier ab.«
    Sassonow verabschiedete sich, verließ das staatliche Magazin, an dessen Laderampe sie standen, und ging gemächlich in die Stadt.
    Vieles war hier neu gebaut worden, als habe es nie einen Krieg gegeben oder als sei er schon längst beendet. Überall standen Rohbauten und Gerüste, kreischten die Mischmaschinen und turnten Arbeiter, vor allem Frauen, auf den Gerüsten herum. Sie schleppten Steine und Zementsäcke, mischten Beton und mauerten in luftiger Höhe die Wände hoch.
    Es war nicht schwer, das Stahlkombinat zu erreichen. Sassonow blickte aus unverfänglicher Entfernung zu dem Verwaltungsgebäude hinüber und bereitete sich auf den entscheidenden Schritt vor. Es war vier Uhr nachmittags. Müdigkeit lag in seinen Beinen, die Wanderung durch Wälder und Sümpfe zerrte in den Muskeln. Er spürte einen unbändigen Drang, sich irgendwo hinzulegen und sich auszustrecken.
    Muß alles an einem Tag sein? dachte er. Besser ist es doch, frisch an die Sache heranzugehen, ein Bett zu suchen, die Erschöpfung wegzuschlafen . Oberst von Renneberg, es ist leicht gesagt: »Vergessen Sie Ihre Nerven!«
    Sassonow wischte sich über die Augen. »Geizen Sie mit der Zeit!« hatte von Renneberg auch noch gesagt. »Denken Sie immer daran, wieviel Kameraden in jeder Stunde fallen, die Sie untätig verstreichen lassen! Je schneller Sie Stalin ausschalten, um so mehr Leben retten Sie! Das mag simpel klingen, primitiv. Aber schon eine lähmende Minute an der Front ist wertvoll! Denken wir in großen Dimensionen, meine Herren …«
    Sassonow stieß sich von der Hauswand ab und überquerte die breite Straße vor dem Stahlkombinat ›Maxim Gorkij‹. Er hatte einen einwandfreien Einweisungsschein in der Tasche. Der Maschinen-Ingenieur Pawel Fedorowitsch Sassonow hat sich nach der Entlassung aus der Roten Armee im Kombinat zu melden. Während alle anderen Abgesetzten in ihren Arbeitsmöglichkeiten freie Hand hatten, wollte Oberst von Renneberg den Chef von Wildgänse an einem sicheren Platz wissen. Von hier aus sollte in aller Ruhe die Aktion in Moskau gestartet werden. Sassonow war der zweite ruhende Pol; der erste, Milda Ifanowna, war die Anlaufstelle der übrigen neun. Wenn der Kontakt untereinander hergestellt war, entschied Sassonow allein über alle weiteren Tätigkeiten.
    Im Verwaltungsgebäude geriet Sassonow an einen Hausmeister, der in einer offenen Koje saß und den Eingang kontrollierte. Er winkte Sassonow heran, musterte ihn und stellte fest, daß er nicht wie ein Arbeiter aussah.
    »Wohin?« fragte der mürrische Mann, der Anton Michailytsch Ukleikin hieß. Er trug eine blaue Mütze mit einem roten Stern und war sehr stolz darauf.
    »Zum Genossen Direktor«, antwortete Sassonow höflich.
    »Nicht gleich zu Stalin?« bellte Ukleikin und bekam rote Ohren.
    »Noch nicht. Vielleicht später! Ich bin der Ingenieur Sassonow. Den Genossen Personalleiter muß ich sprechen, sofort. Man erwartet mich! Genügt das?«
    »Dritter Stock, Zimmer Nummer 339.« Ukleikin blickte an die Decke und rückte seine schöne Mütze fester um den Schädel. Warum sie immer gleich brüllen müssen, die studierten Herrchen, dachte er. Kommunisten sind wir alle, Brüder, Genossen im Bauern- und Arbeiter-Staat. Aber wehe, man kommt ihnen brüderlich.
    »Danke!« sagte Sassonow höflich. Ukleikin nickte, verwundert über soviel

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