Sie waren zehn
Greifswald, mit deinen dunkelhäutigen Mädchen, und hinein in den Uniformrock. Ein Baldenow hat sich der Tradition zu beugen! Und jetzt heißt er Duskow, Leonid Germanowitsch, und ist im Begriff, die schönste Frau der Welt zu erobern …
»Fertig!« sagte er. »Ich habe mit dem Schmied ausgemacht, daß er mir einen Ballen Stroh neben den Amboß schüttet …« Sie nickte, sah ihn an, trat plötzlich auf ihn zu und legte ihre flache Hand auf seine Stirn. Ihre Berührung durchblitzte ihn, sein Herz flimmerte, als künde sich ein Infarkt an.
»Kein Fieber!« sagte sie laut.
»Jetzt doch! Ein plötzlicher Schub …«
Sie zögerte, die Hand noch auf seiner Stirn, holte dann blitzschnell aus und gab ihm eine schallende Ohrfeige. Wortlos verließ sie darauf das Zimmer. Duskow war glücklich. Er hatte ihren unsichtbaren Panzer durchstoßen.
Nach dem Abendessen mit kohlgefüllten Piroggen und selbstgebrautem Kwaß standen sie sehr schweigsam in ihrem Zimmer und vermieden es, das Bett anzusehen. Der Schmied hatte ihnen drei Kerzen hingestellt – von einem Strohballen neben dem Amboß hatte die Ärztin nichts gesehen.
»Es ist Krieg!« sagte sie endlich.
»Ja«, antwortete Duskow vorsichtig, um sie nicht zu provozieren.
»Man hat nicht mehr die freie Wahl, man muß Konzessionen machen. Frühere Maßstäbe gelten nicht mehr. Also gut – teilen wir uns das Bett. Breit genug ist es. Ich lege den Stuhl zwischen uns! Wenn Sie den Stuhl verschieben oder um ihn herumkriechen, steche ich zu. Ich habe ein Messer bei mir. Der Schmied hat es mir geliehen. Beidseitig geschliffen, scharf wie ein Rasiermesser.«
»Ich falle um vor Müdigkeit«, log Duskow und setzte sich auf seine Bettseite. Er betrachtete die Ärztin mit hungrigen Augen, wie sie den Stuhl ins Bett hob und zwischen sich und ihn legte. Genau in die Mitte.
»Wenn ich nach hinten falle, schnarche ich schon …«
»Sie schnarchen?«
»Ein Erbübel! Mein Vater ging mit einem Sägewerk ins Bett!«
»Es ist ja nur eine Nacht!« Sie legte sich auch hin, angezogen, wie sie war, und blies die Kerzen neben sich aus. Tiefe Dunkelheit hüllte sie ein. Warm war es im Zimmer, obwohl das Fenster offen stand. Eine lautlose Nacht umgab sie, nicht einmal das schläfrige Jaulen von Dorfhunden durchbrach die Stille.
Duskow drehte den Kopf zur Seite und betrachtete den Stuhl. Seine vier Beine waren wie Stachel an einer unüberwindlichen Mauer.
»Sie schnarchen ja gar nicht!« sagte sie plötzlich.
»Vielleicht macht das die Hypomnesie ? Ich kann mich nicht mehr erinnern, daß ich schlafen wollte, Genossin …«
»Ich heiße Anna Iwanowna Pleskina …«
Duskow atmete tief durch die Nase. »Sie sind verheiratet?«
» Pleskin fiel gleich 1941 beim Überfall der Deutschen an unserer polnischen Grenze.«
»Mein Beileid.«
»Danke!« sagte sie knapp.
»Eine verdammt heiße Nacht, Anna Iwanowna. Das Kleid muß wie klebriger Gummi sein. Warum ziehen Sie sich nicht aus? Es ist dunkel, und ich werde auf der anderen Seite schlafen.«
»Das Kleid ist aus dünnem Stoff.« Aber sie erhob sich doch, er hörte, wie der Stoff knisterte, wie sie das Kleid abstreifte und dann wieder ins Bett kam. Er stellte sich vor, wie ihr Körper war: von reinstem Ebenmaß mit einer glatten, leicht gebräunten Haut.
»Haben Sie Interesse an der Medizin?« fragte sie plötzlich.
»Ich habe an allem Interesse. Ich bin ein verhinderter Intellektueller.«
»Müssen Sie zur Eisenbahn?«
»Ich habe eine Zuweisung. Verwendung in einem kriegswichtigen Betrieb.«
»Ein Krankenhaus ist auch kriegswichtig.«
»Das sollte man meinen.«
»Ich könnte einen Antrag stellen, daß man Sie ins Botkin-Krankenhaus überweist, als Hilfspfleger. Es gibt in einem solch großen Haus viele Möglichkeiten, Sie zu beschäftigen. Wären Sie damit einverstanden?«
Duskows Herz trommelte gegen die Rippen und begann schmerzhaft zu schlagen.
»Ein Idiot wie ich, Anna Iwanowna?« fragte er.
Er drückte den Kopf gegen den Stuhl. Von der anderen Seite erschien ihr herrliches Gesicht. Nur die Breite des Sitzes trennte sie voneinander. Über und unter ihnen stachen die Stuhlbeine in die Dunkelheit … sie hatten keine abwehrende Funktion mehr.
»Wie alt sind sie?« fragte sie.
»Achtundzwanzig, Anna Iwanowna.«
»Ich bin siebenundzwanzig. – Schlafen Sie gut, Leonid Germanowitsch. Und stellen Sie Ihre Hypomnesie ab.«
»Sofort!« Duskow streckte seine Hand durch den Stuhl. Sie hob ihren Arm und klopfte ihm auf die
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