Sie waren zehn
Gärung, aber es war ein Geruch, der auf dem Land immer ein gutes Essen signalisierte.
Das Auto war ein Wrack. Das zeigte sich, als Duskow mit dem Schmied und dem Stellmacher den Motor untersuchte. Mit einem Flaschenzug, mit dem der Schmied gelegentlich kranke Pferde und Kühe auf die Beine stellte, denn er war gleichzeitig auch der Tiermediziner des Dorfes, hoben sie den Motor aus dem Wagen und schwenkten ihn auf einen Holzbock. Dort ruhte er nun, schwarz, verölt, feindselig, und die Dorfbewohner standen um ihn herum, bestaunten ihn wie eine Mißgeburt und genossen zum erstenmal den Anblick eines ausgebauten Motors. Duskow hatte den Motorblock aufgeschraubt und die Kolben bloßgelegt. Zwei Kolben waren wie angefressen, die Kolbenringe glichen verölten Fransen . Ein Wunder wahrhaftig, daß der Wagen überhaupt noch bis Alexandrow gekommen war.
Die Ärztin sprach unterdessen über das einzige Telefon, das auch dem Schmied gehörte, mit Moskau und scheuchte einige Beamte aus ihrer Ruhe. Das soll man, wenn es irgend möglich ist, vermeiden, denn ein Beamter ist immer überlastet und bei Sonderforderungen überfordert.
»In frühestens einer Woche können sie einen Motor schicken!« sagte die Ärztin nach dem Gespräch. Sie war wütend, betrachtete den verdreckten Motor mit einem Anflug von Ekel und ging unruhig in der Schmiede hin und her. Duskow, ölverschmiert, mit entblößtem Oberkörper und rußschwarzen Händen, saß neben dem Motorblock und rauchte eine Papyrossa, die ihm der Schmied geschenkt hatte. »Einen anderen Wagen bekomme ich nicht! Wir müssen nach Sagorsk und von dort mit dem Zug nach Moskau. Nach Sagorsk können wir nur mit einem Traktor oder mit einem Fahrrad! Ein Rad ! Sie müßten fahren, ich sitze hinten drauf! Unmöglich! Also mit dem Traktor! Du lieber Himmel, wie sehen Sie aus! Bekommt man Sie überhaupt noch sauber?!«
Es war ein Problem. Duskow setzte sich in eine Holzwanne mit heißem Seifenwasser, schrubbte sich mit einer scharfen Borstenbürste ab, bis seine Haut rot anschwoll, wickelte sich dann in eine alte Pferdedecke, die aber, gottlob, gewaschen war und nicht mehr nach Gaul stank, und legte sich in das riesige Holzbett. Als die Ärztin im Zimmer erschien, blinzelte er müde und gähnte.
»Ich dampfe«, sagte er zufrieden. »Und sauber bin ich wie ein gepudertes Knäblein. Wollen Sie sehen, Genosse Ärztin?«
»Kommen Sie aus meinem Bett heraus!« Ihre Stimme war wieder dunkel und celloähnlich .
»Ich glaube, ich habe Fieber! Eine Influenza epidemica …«
»Was?« Sie beugte sich vor.
»Vielleicht auch eine Hypomnesie …«
Sie starrte ihn sprachlos an, setzte sich dann neben ihn auf das Bett und legte die schönen Hände in den Schoß. Duskow schloß die Augen – er beneidete die Hände.
»Wer sind Sie?« fragte sie sanft. »Kommen Sie bloß nicht wieder mit Ihrem Schuhmacher aus Kasan!«
»In der Jackentasche ist mein Ausweis. Warum sollte ich lügen?«
»Was weiß ein Schuhmacher von Hypomnesie ?«
»Ich bin auch als Sanitätsgehilfe ausgebildet, Genossin.« Duskow schlug die Augen wieder auf und bedachte das erregende Gesicht über sich mit einem treuen Blick. »Der Sarghändler wollte es so. Klavierspiel und Anatomie – das war bei ihm wichtig. Wie viele brave Menschen sterben im Sitzen! Man soll es nicht meinen! Hocken im Sessel und geben ihren Geist auf. Und statt daß man sie dann ins Bett legt – nein, die Hinterbliebenen lassen sie im Sessel sitzen! Dann kommen wir und sollen sie gerade und ausgestreckt in den Sarg legen! Man kann sie doch nicht mit angewinkelten Knien zum Grab tragen! Was also tun? Wir müssen ihnen die Knie brechen. Das Kniegelenk. Aber unser Sargmacher sagte nie zu mir Kniegelenk, er sagte immer nur, vornehm, wie er war, Articulatio genus ! Ich bekam Spaß an der Sache, kaufte mir ein medizinisches Wörterbuch und lernte viele Begriffe auswendig. Zum Beispiel Spermatorrhoe …«
»Sie Ferkel!« sagte sie und stand auf. »Raus aus meinem Bett!« Sie drehte sich zum Fenster, wartete, bis Duskow aus dem Bett war und sich, in die Decke gewickelt, auf einen Stuhl hockte. Drei Semester Medizin sind etwas wert. Universität Greifswald. Ein fröhliches Leben mit viel Suff und ab und zu Puff. Mädchen als lebender Anatomieunterricht. Gynäkologische Praxis in Horizontallage. Bis die Familie von Baldenow auf Gut Neu-Nomme befand, daß der älteste Sohn Venno nicht Arzt, sondern Offizier werden müsse. Aus Tradition. Auf ewig Adieu, schönes
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