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Sie waren zehn

Sie waren zehn

Titel: Sie waren zehn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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keiner gekauft; sie alle waren darauf vorbereitet, gemeinsam in einem Sonderwagen Rußland zu verlassen. In Polen mußte man dann umsteigen von der sowjetischen Breitspur auf die europäische Normalspur und dann noch einmal in der DDR, dem anderen Deutschland, um angehängt zu werden an den Zug, der durch Thüringen und über die deutsch-deutsche Grenze in den freien Westen fuhr.
    Freier Westen?
    Konopjow sah das anders. Er saß in der Schreibstube hinter einem Berg von Akten und holte für jeden, der an seinem Schreibtisch vorbeizog, den persönlichen ›Vorgang‹ aus den Aktendeckeln. »Aha! Da sind Sie ja!« sagte er, als ein mittelgroßer ergrauter Mann an die Tischkante trat und seinen Reiseausweis vorlegte. Konopjow blickte hoch, die Augen der beiden Männer kreuzten sich, dann wanderte Konopjows Blick zu der Frau neben dem Mann und zu einer jüngeren Frau, die – nach den Akten – beider Tochter sein mußte. »Sie sind doch ein intelligenter Mensch, Kyrill Semjonowitsch Boranow. Haben sogar den gleichen Vornamen wie ich. Etwas Brüderliches ist das! Erklären Sie mir, warum Sie nach 34 Jahren plötzlich Deutscher sind.«
    »Ich bin immer ein Deutscher gewesen, Kyrill Abramowitsch …« Der Mann tippte mit dem Zeigefinger auf sein Papier. »Da steht es: Ich heiße Asgard Kuehenberg, Hauptmann der deutschen Wehrmacht!«
    »Ich weiß, ich weiß.« Konopjow verzog sein fettes Gesicht, als habe er ranziges Öl geschluckt. »Ist alles herausgekommen bei Ihrem idiotischen Antrag. Erfolg, na? Zehn Jahre Sibirien! Nach drei Jahren begnadigt nach einer Intervention der westdeutschen Regierung. Aber vierunddreißig Jahre lang haben Sie als Russe unter uns gelebt, und es ist Ihnen gutgegangen. Bekleideten sogar eine hohe Stellung bei der Moskauer Straßenbahn! Warum – so frage ich mich – kommen Sie nach vierunddreißig Jahren auf die verrückte Idee, sich als Deutscher zu erkennen zu geben, als nie gefaßter Spion und Saboteur, als fette Made in unserem Speck, und stellen sogar den Antrag, nach Deutschland zurückzukehren?!«
    »Das Heimweh, Genosse Konopjow.«
    »Heimweh?«
    »Wer könnte das besser als ein Russe begreifen?«
    »Ihre Frau Lyra Pawlowna ist Russin!« Konopjow starrte die Frau an der Seite des Mannes an. Sie trug ein einfaches Baumwollkleid, moderne Sommerschuhe, aber keine Strümpfe. Sie sah jünger aus als vierundfünfzig Jahre – eine schlanke Frau mit mittelbraunem Haar, in dem sich noch kein weißes Fädchen zeigte. Ihr Gesicht war oval mit leicht hochgestellten Backenknochen. »Und Ihre Tochter Tamara Kyrillowna … sie ist auch Russin!« sagte Konopjow und schnaufte ergriffen. Sein Blick fiel auf die zweite Frau. Sie war größer als die Eltern, sehr schlank und ausgesprochen hübsch. Eine Taille, mit zwei großen Männerhänden zu umfassen. Brüste wie Äpfelchen der Frühernte. Lange, wohlgeformte Beine. »Eine Schande!« stellte Konopjow fest. »Wie hat übrigens die westdeutsche Regierung erfahren, daß Sie noch leben?! Daß es Sie überhaupt noch gibt?!«
    »Das ist eine lange Geschichte, Genosse.«
    »Man kann sie nachlesen.« Konopjow tippte auf das Aktenstück. »Ich frage Sie jetzt amtlich, Kyrill Semjonowitsch Boranow: Wollen Sie nicht auf die Aussiedlung verzichten?«
    »Nein!«
    »Ich frage die Frauen, die Russinnen: Wollt ihr wirklich eure Heimat für immer verlassen? Wollt ihr – ich sage es jetzt ganz altmodisch – Mütterchen Rußland nie mehr sehen?« Er machte eine Pause und kraulte seine grauen Löckchen. Die Frauen zeigten keine Regung, wie er sie erwartet hätte. Sie weinten nicht, sie rangen nicht die Hände. Ihre Gesichter waren unbeweglich.
    »Er ist mein Mann!« sagte Lyra Pawlowna endlich mit klarer Stimme. »Wo er hingeht, da bin auch ich!«
    »Er ist mein Vater«, sagte Tamara Kyrillowna ebenso ernst. »Was er tut, ist immer gut.«
    »Sie haben Ihre Familie gut im Griff!« sagte Konopjow. Er wühlte in den Papieren und stellte alles zur Unterschrift zusammen. »Was wollen Sie in Deutschland arbeiten?«
    »Ich weiß es nicht.«
    »Glauben sie, die Straßenbahnen in Deutschland warten nur auf Sie?!«
    »Nein.«
    »Oder wollen Sie wieder Offizier werden?«
    »Dazu bin ich zu alt.«
    »Natürlich sind Sie zu alt. Zu allem zu alt! Vor allem zu alt, noch umzusiedeln! Hier, in der Sowjetunion, hätten Sie einen sicheren Lebensabend. Im Westen werden Sie ein lästiges Insekt sein, das auf dem Rand eines Honigtopfes sitzt. Scheel wird man Sie ansehen, weil Sie den

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