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Sie waren zehn

Sie waren zehn

Titel: Sie waren zehn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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angekündigt hatte –, die Hände auf dem Rücken, im Mundwinkel seine gebogene Pfeife. Seine Augen waren größer, als Smolka sie sich vorgestellt hatte, das großflächige, graublasse Gesicht wirkte wie aus Ton modelliert. Er drückte das Kinn an, blickte auf Oberst Smolka und verzog keine Miene, als dieser stramm stand und erschrocken feststellte, daß man seinen wilden Herzschlag hören mußte.
    Die drei Doppelgänger reagierten schnell, wie sie es geübt hatten. Sie rissen ihre Hängepfeifen aus der Tasche und steckten sie in den Mundwinkel. Radowskij unterdrückte ein heißes Seufzen. Hinter einer Stehlampe stand er, wie hinter einer Burgzinne.
    Stalin kam zwei Schritt in den Raum und drehte wortlos den Kopf im Halbkreis.
    Am linken Fenster stand Stalin, eine Pfeife im Mund und starrte ihn abweisend an.
    In der Mitte, neben einem runden Rauchtisch, stand Stalin, eine Pfeife im Mund, und verhieß in seinem Blick nichts Angenehmes.
    Rechts, neben dem versteinerten Oberst, vor einem Sessel, stand Stalin, eine Pfeife im Mund, und blickte in die Gegend, als ekele ihn die ganze Welt.
    »Der in der Mitte ist zu dick!« sagte Stalin und deutete mit seiner Pfeife auf Plesikowski. »Zehn Pfund weniger!« Plesikowski nahm seine Pfeife aus dem Mund und deutete auf Stalin. »Der Leibesumfang stimmt!« sagte er im gleichen Ton, mit der gleichen Stimme.
    »Zehn Pfund zuviel!« bellte Stalin. »Ich muß das wissen!« Er wandte sich ab, ging zu dem linken Stalin und betrachtete ihn wie eine ausgestellte Plastik. Mit dem Daumen stopfte er dabei seine Pfeife nach, und auch der andere Stalin drückte sofort seine Daumenkappe in den Pfeifenkopf. »Kuhaugen hat er!« sagte Stalin laut. »Wahre Kuhaugen!«
    In Smolkas Brust und Hirn brannten helle Feuer. Er stand noch immer steif und unbeweglich, während Radowskij ihm hinter der Lampe verstohlene Zeichen gab, die er nicht deuten konnte. Zutiefst kindisch empfand er es, wie der General herumfuchtelte.
    Stalin ging mit laut tappenden Schritten weiter, beachtete Smolka gar nicht, als sei er irgendein Pfeiler, der die Decke stützte, und blieb vor dem dritten Stalin stehen. Wieder stopfte er seine Pfeife mit dem Daumen, wieder antwortete ihm sein Doppelbild mit der gleichen Bewegung. Er hob die buschigen Brauen – sein Gegenüber tat im gleichen Moment dasselbe.
    »Und er hat eine schreckliche Nase!« sagte Stalin. »Haare wachsen ihm ja aus den Löchern! Habe ich Haare in der Nase!«
    »Ja!« antwortete der andere Stalin. »Bei der letzten Oktoberparade … Sogar ein Tropfen hing dran.«
    Radowskij sank in sich zusammen. Smolka schloß während des Strammstehens die Augen. Recht hat er, sagte er zu sich. Auf den extremen Vergrößerungen der Fotos, die ich als Lehrmaterial habe anfertigen lassen, sieht man es deutlich. Aber muß man es deshalb sagen? Ihm so ins Gesicht schmettern?!
    »Es war kalt!« sagte Stalin nach einer Sekunde der Verblüffung. »Und wie kalt es war! Dir wäre der Rotz aus der Nase gelaufen – bei mir war's nur ein Tropfen!« Er griff mit der Linken an seine Nasenlöcher, fühlte die Härchen und steckte die Hängepfeife wieder in seinen Mundwinkel. Die drei Doppelgänger taten es ihm nach. Vier Stalins standen herum, sahen sich an und schwiegen. Radowskij kam hinter seiner Lampe hervor.
    »Genosse Generalissimus«, sagte er mit einer perfekt gespielten Gelassenheit, »das ist Oberst Igor Wladimirowitsch Smolka vom NKWD.«
    »Aha!« Stalin betrachtete Smolka mit zusammengekniffenen Augen. »Sie hatten die Idee?«
    »Ja –«, antwortete Smolka heiser.
    »Warum hat mir Berija nichts davon erzählt?«
    »Der Genosse Berija weiß davon noch nichts …«
    Einen Augenblick schien es, als habe Smolka den ›Vater Rußlands‹ angespuckt.
    Doch dann zerfloß Stalins Gesicht, sein Mund riß auf, er lachte, lachte dröhnend, schwenkte seine Pfeife durch die Luft und stieß sie Smolka gegen die Brust.
    »Er weiß es nicht!« schrie Stalin vergnügt. »Berija, mein Rattengesichtchen, weiß es nicht! Da gibt es mich dreimal, und Berija schläft auf seinen Augen!« Er stieß die Faust wieder gegen Smolkas Brust und ließ sein Lachen noch mehrmals nach innen nachklingen. »Igor – wie weiter?«
    »Wladimirowitsch …«
    »Igor Wladimirowitsch, ein Mensch sind Sie, der mir gefällt! Wie selten sind Männer mit Ideen! Wohin man blickt: nur Hunde, die apportieren, was man ihnen hinwirft. Alles nur Glotzaugen, in die man Bilder spucken muß, damit sie wenigstens etwas sehen! Wie

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