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Titel: Sie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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gemein sein oder Ihnen eins auswischen möchte -, ich sage Nein, weil ich möchte, dass Sie die Geschichte mögen … und wenn ich Ihnen Ihren Wunsch erfülle, dann werden Sie sie nicht mehr mögen, und Sie werden sie nicht mehr wollen.« Und was wird dann aus mir werden, Annie?, dachte er, sagte es aber nicht.
    »Dann sagen Sie mir wenigstens, ob dieser Nigger Hezekiah wirklich weiß, wo Miserys Vater ist! Sagen Sie mir wenigstens das!«
    »Wollen Sie den Roman, oder soll ich einen Fragebogen ausfüllen?«
    »Kommen Sie mir nicht sarkastisch!«
    »Dann tun Sie nicht so, als würden Sie nicht verstehen, was ich sage!«, brüllte er sie an. Sie wich überrascht und unbehaglich vor ihm zurück, der letzte Rest Finsternis verschwand aus ihrem Gesicht; was übrig blieb, war der unheimliche Ausdruck des kleinen Mädchens, der Ich-warböse-Ausdruck. »Sie wollen die goldene Gans aufschneiden, darauf läuft es hinaus. Aber als der Bauer im Märchen das
schließlich tat, hatte er nur eine tote Gans und einen Haufen wertloser Eingeweide!«
    »Also gut«, sagte sie. »Also gut, Paul. Möchten Sie Ihr Eis noch aufessen?«
    »Ich kann nicht mehr«, sagte er.
    »Ich verstehe. Ich habe Sie verärgert. Es tut mir leid. Ich glaube, Sie haben recht. Es war falsch zu fragen.« Sie war wieder völlig ruhig. Er hatte halb damit gerechnet, dass eine weitere Periode tiefer Depressionen oder blinder Wut folgen würde, aber das war nicht der Fall gewesen. Sie kehrten einfach wieder zu der täglichen Routine zurück, Paul schrieb, Annie las seinen täglichen Ausstoß, und zwischen dem Streit und der Daumenektomie war so viel Zeit vergangen, dass Paul den Zusammenhang gar nicht erkannt hatte. Bis jetzt.
    Ich habe mich über die Schreibmaschine beschwert, dachte er und sah sie an, während er dem Dröhnen des Rasenmähers lauschte. Es klang jetzt leiser, und er war sich am Rande bewusst, dass das nicht daran lag, dass Annie sich weiter entfernte, sondern er . Er döste ein. Das tat er in letzter Zeit oft, er döste einfach ein wie ein alter Knacker im Altersheim.
    Nicht sehr; ich habe mich nur einmal beschwert. Aber einmal war genug, nicht wahr? Mehr als genug. Das war - wann? - eine Woche, nachdem sie diese pupsigen Eisbecher gebracht hatte? Um diese Zeit. Nur eine Woche und eine Beschwerde. Darüber, wie das Klappern dieser toten Type mich verrückt machte. Ich habe nicht einmal angedeutet, dass sie mir bei Nancy Hurenmonger oder wie sie heißt eine andere gebrauchte Schreibmaschine besorgen soll, bei der alle Typen intakt sind. Ich sagte nur, dieses
Klappern macht mich verrückt, und dann, fast in null Komma nichts, Simsalabim, was Pauls linken Daumen anbelangt: Noch ist er da, plötzlich ist er weg. Aber sie hat es in Wirklichkeit nicht getan, weil ich mich über die Schreibmaschine beschwert habe, oder? Sie hat es getan, weil ich Nein gesagt habe und sie das akzeptieren musste. Es war ein Akt des Zorns. Der Zorn war eine Folge der Erkenntnis. Welcher Erkenntnis? Nun, eben der, dass sie doch nicht alle Trümpfe in der Hand hält - dass ich eine gewisse passive Macht über sie habe. Die Macht des Muss . Ich habe mich doch als ganz passable Scheherazade erwiesen.
    Es war verrückt. Es war komisch. Und es war wirklich. Millionen mochten spotten, aber nur deshalb, weil sie nicht verstanden, wie tief greifend der Einfluss der Kunst - selbst einer so degenerierten Kunst wie der populären Literatur - sein konnte. Hausfrauen teilen sich ihre Zeit nach den nachmittäglichen Seifenopern ein. Wenn sie wieder arbeiten gingen, wurde der Kauf eines Videorekorders zum obersten Gebot, damit sie sich diese Seifenopern dann abends ansehen konnten. Als Arthur Conan Doyle Sherlock Holmes an den Reichenbachfällen sterben ließ, erhob sich das gesamte viktorianische England und verlangte ihn zurück. Der Ton dieses Protests war exakt der von Annie gewesen - nicht Wehklagen, sondern Entrüstung. Seine eigene Mutter hatte ihn beschimpft, als er ihr seine Pläne mitgeteilt hatte, Holmes aus der Welt zu schaffen. Ihre indignierte Antwort war postwendend zurückgekommen: »Diesen netten Mr. Holmes töten? Unfug! Wage es nicht! «
    Und da war der Fall seines Freundes Gary Ruddman, der für die öffentliche Bibliothek von Boulder arbeitete. Als Paul ihn eines Tages besuchen kam, hatte Gary die
Jalousien heruntergezogen und ein schwarzes Knäuel aus Kreppband an die Tür geklebt. Voller Besorgnis hatte Paul so lange geklopft, bis Gary antwortete. Geh weg, hatte Gary

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