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Titel: Sie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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Wenn jemand alle zwanzig Filmrollen des neuen Rocket Man -Serials an Annies Adresse geliefert hätte, hätte sie dann gewartet und nur eine pro Woche oder auch nur eine pro Tag ausgepackt?
    Er betrachtete den halb verwüsteten Erdrutsch ihres Eisbechers, eine Kirsche war beinahe in der Schlagsahne versunken, die andere schwamm in Schokoladensirup. Er erinnerte sich daran, wie das Wohnzimmer ausgesehen hatte, voller mit Süßigkeitenresten verkrusteter Schüsseln.
    Nein. Annie war nicht der Typ, der warten konnte. Annie hätte sich alle zwanzig Folgen in einer einzigen Nacht angesehen, selbst wenn ihr davon die Augen schmerzten und sie unerträgliche Kopfschmerzen bekommen hätte.
    Weil Annie Süßes liebte.
    »Das kann ich nicht«, sagte er.

    Ihr Gesicht verfinsterte sich auf der Stelle, aber sah er nicht auch einen Schatten der Erleichterung? »Oh? Warum nicht?«
    Weil dann mein Leben keinen Pfifferling mehr wert wäre, wollte er sagen, verkniff es sich aber. Verkniff es sich mit großer Anstrengung.
    »Weil ich ein mieser Geschichtenerzähler bin«, sagte er stattdessen.
    Sie schlang den Rest ihres Eisbechers in fünf riesigen Löffeln voll hinunter, die in Pauls Kehle Frostbeulen erzeugt hätten. Dann stellte sie die Schüssel ab und sah ihn wütend an, nicht so, als wäre er der große Paul Sheldon, sondern als wäre er jemand, der den großen Paul Sheldon kritisiert hat.
    »Wenn Sie so ein mieser Geschichtenerzähler sind, wie kommt es dann, dass Sie Bestseller schreiben und Millionen Menschen Ihre Bücher lieben?«
    »Ich habe nicht gesagt, dass ich ein mieser Geschichten schreiber bin. Ich würde sogar sagen, darin bin ich ziemlich gut. Aber als Geschichten erzähler bin ich das Letzte.«
    »Sie denken sich nur eine große bedummdusselte Ausrede aus.« Ihr Gesicht wurde noch finsterer. Die Hände hatte sie auf dem schweren Material ihres Rocks zu glänzenden Fäusten geballt. Hurrikan Annie war wieder da. Alles rächt sich irgendwann. Aber es war nicht mehr so wie früher, oder? Er hatte immer noch große Angst vor ihr, dennoch war ihr Einfluss auf ihn geringer geworden. Sein Leben schien plötzlich nicht mehr so wichtig zu sein, ob nun mit oder ohne Muss . Er hatte nur Angst, dass sie ihm wehtun würde.

    »Es ist keine Ausrede«, hatte er geantwortet. »Diese beiden Dinge sind wie Äpfel und Birnen, Annie. Leute, die Geschichten erzählen , können für gewöhnlich keine schreiben . Wenn Sie wirklich der Meinung sind, dass Menschen, die Geschichten schreiben können, irgendetwas als Redner taugen, dann haben Sie noch nie irgendeinen armen Hund von einem Schriftsteller gesehen, der sich mühsam durch die Today -Show gestottert hat.«
    »Ich will aber nicht mehr warten«, murrte sie. »Ich habe Ihnen diesen schönen Eisbecher gemacht, dafür können Sie mir wenigstens ein paar Einzelheiten verraten. Es muss ja nicht gerade die ganze Geschichte sein, aber … hat der Baron Calthorpe umgebracht?« Ihre Augen funkelten. »Das möchte ich wirklich gern wissen. Und was hat er mit der Leiche gemacht, wenn er es war? Ist sie zerstückelt und in dem Schrankkoffer, den seine Frau nicht aus den Augen lässt? Das vermute ich nämlich.«
    Paul schüttelte den Kopf - nicht um anzudeuten, dass sie falsch lag, sondern um zu zeigen, dass er nichts verraten würde.
    Sie wurde noch finsterer. Dennoch war ihre Stimme sanft. »Sie machen mich sehr wütend - das wissen Sie doch, Paul?«
    »Selbstverständlich weiß ich es. Aber ich kann nichts ändern.«
    »Ich könnte Sie dazu bringen . Ich könnte Sie dazu bringen , dass Sie es ändern können. Ich könnte Sie dazu bringen , dass Sie es mir erzählen.« Aber sie sah frustriert aus, als wüsste sie genau, dass sie es nicht konnte. Sie konnte ihn dazu bringen, eine Menge zu sagen, aber sie konnte ihn nicht dazu bringen, etwas zu verraten.

    »Annie, erinnern Sie sich noch, wie Sie mir gesagt haben, was ein kleiner Junge zu seiner Mutter sagt, wenn sie ihn dabei erwischt, wie er mit dem Putzmittel unter der Spüle spielt und sie es ihm wegnimmt? Mami, du bist gemein! Sagen Sie das jetzt nicht zu mir? Paul, Sie sind gemein? «
    »Wenn Sie mich noch wütender machen, dann übernehme ich für nichts die Verantwortung«, sagte sie, aber er spürte, dass die Gefahr bereits überstanden war - durch diese Konzepte von Disziplin und Betragen war sie seltsam verwundbar.
    »Nun, dieses Risiko muss ich eingehen«, sagte er, »denn ich bin wie diese Mutter - ich sage nicht Nein, weil ich

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