Sie
gepflegt zu halten. Er war nicht dafür konstruiert, das Gleichgewicht zu halten, wenn er über aus dem Boden ragende Felsen, umgestürzte Baumstämme oder die Köpfe von Polizisten fuhr. Wenn das Auto nicht genau dort gestanden hätte, wo es stand, wenn der Polizist ihm nicht
genau so nahe gekommen wäre, wie er gekommen war, bevor Annie ihn überfahren hatte, dann wäre der Rasenmäher ganz sicher umgekippt und hätte sie abgeworfen. Das hätte ihr vielleicht keine nennenswerten Verletzungen beigebracht, aber es hätte ihr ziemlich wehtun können.
Sie hat mehr Glück als der Teufel persönlich, dachte Paul düster und sah zu, wie sie das Getriebe auf Leerlauf schaltete und den Rasenmäher mit einem einzigen heftigen Stoß von dem Polizisten herunterschob. Die Seite des Mähers schrammte an dem Auto entlang und kratzte den Lack ab.
Nun, da er tot war, konnte Paul ihn ansehen. Der Polizist sah wie eine große Puppe aus, die von einer Gruppe garstiger Kinder übel zugerichtet worden war. Paul verspürte ein schrecklich schmerzendes Mitgefühl für diesen unbekannten jungen Mann, aber darin schwang noch ein anderes Gefühl mit. Er untersuchte es und war nicht überrascht festzustellen, dass es sich um Neid handelte. Der Polizist konnte nie mehr zu seiner Frau und seinen Kindern heimkehren, wenn er welche hatte, aber andererseits war er Annie Wilkes entkommen.
Sie packte ihn an einem blutigen Arm und zerrte ihn die Einfahrt entlang und in den Stall, dessen Türen offen standen. Als sie wieder herauskam, stieß sie sie so weit auf, wie sie konnte. Dann ging sie zum Auto zurück. Sie bewegte sich mit einer Ruhe, die fast Gelassenheit gleichkam. Sie ließ das Auto an und fuhr es in den Stall. Als sie dieses Mal wieder herauskam, schloss sie die Tür fast ganz und ließ nur einen kleinen Spalt offen, durch den sie hinein- und hinausschlüpfen konnte.
Sie ging ein Stück die Einfahrt entlang, stemmte die Arme in die Hüften, und wieder sah Paul diesen bemerkenswerten Ausdruck der Gelassenheit.
Die Unterseite des Mähers war blutverschmiert, besonders um den Grasauswurf herum, wo es immer noch tropfte. Kleine Fetzen der Khakiuniform lagen in der Einfahrt oder flatterten auf dem frisch gemähten Rasen. Überall sah man Kleckse und Spritzer von Blut. Die Pistole des Polizisten, deren schwarzer Lauf mittlerweile eine silbern schimmernde Narbe hatte, lag im Staub. Ein Rechteck aus steifem Papier war von den Stacheln eines Kaktus aufgespießt worden, den Annie im Mai gepflanzt hatte. Bossies zertrümmertes Kreuz lag wie ein Kommentar zu der ganzen ekelhaften Sauerei auf dem Weg.
Sie bewegte sich aus seinem Sichtbereich heraus und ging wieder in die Küche. Als sie hereinkam, hörte er sie singen: »She’ll be driving six white horses when she COMES … she’ll be driving six white horses when she COMES! She’ll be driving six white HORSES, driving six white HORSES … she’ll be driving six white HORSES when she COMES!«
Als er sie draußen wieder sehen konnte, hatte sie einen großen grünen Müllsack in der Hand, drei oder vier weitere ragten aus der Gesäßtasche ihrer Jeans heraus. Unter den Achselhöhlen und im Nacken hatte ihr T-Shirt große dunkle Schweißflecken. Als sie sich umdrehte, sah er einen vage baumförmigen Schweißfleck auch auf ihrem Rücken.
Das sind eine Menge Säcke für ein paar Stofffetzen, dachte Paul, aber er wusste, dass sie einiges einzusammeln hatte, bevor sie fertig war.
Sie sammelte die Fetzen der Uniform auf, dann das Kreuz. Sie brach es in zwei Hälften und warf es in den Müllsack. Es war unglaublich, aber nachdem sie das getan hatte, beugte sie ehrfürchtig das Knie. Sie nahm die Pistole, drehte den Zylinder, ließ die Patronen herausfallen, ließ den Zylinder mit einer geübten Bewegung ihres Handgelenks zurückschnappen und steckte die Pistole dann in den Bund ihrer Jeans. Sie pflückte das Stück Papier von dem Kaktus und betrachtete es nachdenklich. Sie steckte es in die andere Hüfttasche. Sie ging zum Stall, warf die Müllsäcke durch die Tür und kam zum Haus zurück.
Sie ging auf dem Rasenstreifen entlang zur Kellerluke, die sich fast direkt unter Pauls Fenster befand. Noch etwas anderes erregte ihre Aufmerksamkeit. Es war sein Aschenbecher. Sie hob ihn auf und reichte ihn ihm höflich durch das zerschmetterte Fenster.
»Hier, Paul.«
Er nahm ihn wie betäubt entgegen.
»Die Büroklammern hole ich später«, sagte sie, als wäre das eine Frage, die ihn bereits
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