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Titel: Sie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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Gegenüber der Wanne befand sich ein Waschbecken. Über dem Waschbecken hing ein Medizinkästchen.
    Der Putzeimer stand in der Wanne - er konnte den gelben Plastikrand sehen.
    Der Flur war so breit, dass er den Rollstuhl herumschwenken und direkt vor der Badezimmertür zum Stehen bringen konnte, aber mittlerweile schmerzten seine Arme vor Erschöpfung. Er war ein schwächliches Kind gewesen, daher hatte er sich als Erwachsener bemüht, in Form zu bleiben, aber seine Muskeln waren jetzt die eines Invaliden, das schwächliche Kind war wieder da, als wären all die Liegestütze, das Joggen und die Stunden an dem Nautilus-Heimtrainer nur ein Traum gewesen.
    Wenigstens war diese Tür breiter - nicht viel, aber ausreichend, sodass das Durchkommen weniger haarsträubend war. Paul holperte über die Schwelle, dann rollten die Hartgummiräder mühelos über die glatten Fliesen. Er roch etwas Saures, das er sofort mit Krankenhaus assoziierte - möglicherweise Lysol oder ein anderes Reinigungsmittel. Hier gab es keine Toilette, aber das hatte er bereits vermutet - die Wasserspülung hörte er stets nur von oben, und jetzt, wo er darüber nachdachte, fiel ihm auf, dass er jedes Mal die Spülung von oben hörte, nachdem er selbst die Bettpfanne benutzt hatte. Hier befanden sich nur Badewanne, Waschbecken und der Wäscheschrank, dessen Tür offen stand.

    Er betrachtete kurz die ordentlichen Stapel blauer Handtücher und Waschlappen - beide kannte er von den Gelegenheiten, da sie ihn gewaschen hatte -, dann lenkte er seine Aufmerksamkeit auf das Medizinschränkchen über dem Waschbecken.
    Es war außerhalb seiner Reichweite.
    So sehr er sich auch anstrengte, es war dennoch gut zwanzig Zentimeter von seinen Fingerspitzen entfernt. Er sah es, dennoch streckte er die Arme aus, weil er nicht glauben wollte, dass das Schicksal oder Gott oder wer auch immer so grausam sein konnte. Er erinnerte an einen Außenfeldspieler, der verzweifelt nach einem Homerun-Ball greift, den er unmöglich erwischen kann.
    Paul gab einen verletzten, ratlosen Laut von sich, ließ die Hand sinken und lehnte sich keuchend zurück. Die graue Wolke senkte sich über ihn. Er hinderte sich mit reiner Willenskraft daran, wieder wegzudämmern, dann sah er sich nach etwas um, womit er die Tür des Medizinschränkchens öffnen konnte, und erblickte einen O-Cedar-Mopp, der mit seiner blauen Stange steif in der Ecke lehnte.
    Den möchtest du dazu nehmen? Wirklich? Nun, ich glaube, das könntest du. Öffne die Tür des Medizinschranks, und stoße einfach einen Teil des Inhalts ins Waschbecken. Aber die Fläschchen werden zerbrechen, und selbst wenn keine Fläschchen drin sind, was unwahrscheinlich ist, weil jeder mindestens eine Flasche Listerine- oder Scope-Mundwasser im Medizinschrank hat, wirst du das, was heruntergefallen ist, nicht wieder hineinbekommen. Und wenn sie zurückkommt und das Durcheinander sieht, was dann?

    »Ich werde ihr sagen, dass es Misery war«, krächzte er. »Ich sage ihr, sie hat die Sachen heruntergeworfen, als sie nach einem Elixier suchte, das sie wieder zum Leben erwecken kann.«
    Dann brach er in Tränen aus - aber selbst durch die Tränen hindurch suchte er den Raum ab und hielt nach einer Möglichkeit Ausschau, irgendetwas, einer Möglichkeit, einer beschissenen Mög…
    Er sah noch einmal in den Wäscheschrank, und plötzlich stand sein keuchender Atem still. Er riss die Augen auf.
    Sein erster flüchtiger Blick hatte die Stapel zusammengelegter Bett- und Kissenbezüge und Handtücher und Waschlappen wahrgenommen. Jetzt sah er auf den Boden des Schranks, und dort standen ein paar rechteckige Pappkartons. Ein paar trugen die Aufschrift UPJOHN. Ein paar trugen die Aufschrift LILLY. Ein paar trugen die Aufschrift CAM PHARMACEUTICALS.
    Er drehte den Rollstuhl heftig herum und tat sich weh dabei, aber er achtete nicht darauf.
    Bitte, Gott, mache, dass es nicht ihr Vorrat an Shampoo ist oder ihre Tampons oder Bilder ihrer heiligen toten Mutter oder …
    Er tastete nach einem der Kartons, zog ihn heraus und öffnete die Klappen. Kein Shampoo, keine Avon-Pröbchen. Ganz im Gegenteil. In dem Karton befand sich ein wüstes Durcheinander verschiedener Medikamente, die meisten in kleinen Packungen mit der Aufschrift PROBE. Ganz unten rollten ein paar Tabletten verschiedener Farbe offen herum. Einige davon, etwa Motrim und Lopressor, die Bluthochdrucktabletten, die sein Vater in den letzten Lebensjahren
genommen hatte, waren ihm bekannt, von anderen

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