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Keramikpinguin, der auf einem Keramikeisblock saß - fiel herunter.
Ohne nachzudenken streckte er die Hand aus und fing ihn auf. Die Geste war fast beiläufig … dann erst wurde ihm bewusst, was geschehen war. Er hielt den Pinguin fest in der geschlossenen Hand und versuchte, das Zittern zu unterdrücken. Du hast ihn aufgefangen, keine Aufregung,
außerdem liegt ein Teppich darunter, wahrscheinlich wäre er ohnehin nicht zerbrochen …
Aber WENN er zerbrochen wäre!, kreischte sein Verstand als Antwort, WENN er zerbrochen wäre! Bitte, du musst wieder in dein Zimmer gehen, bevor du Spuren hinterlässt …
Nein. Noch nicht. Noch nicht, wie groß seine Angst auch sein mochte. Denn dies hatte ihn zu viel gekostet. Wenn es einen Lohn dafür gab, dann wollte er ihn haben.
Er sah sich im Zimmer um, das mit schweren, klobigen Möbeln ausgestattet war. Es hätte von den Fenstern und dem atemberaubenden Panorama der Rockies dahinter beherrscht sein sollen, stattdessen wurde es beherrscht vom Bild dieser dicken Frau, die in dem abscheulichen Rahmen mit seinen Verzierungen und Schnörkelchen und vergoldeten Kinkerlitzchen gefangen war.
Auf dem Tisch am anderen Ende des Sofas, wo sie zum Fernsehen sitzen würde, stand ein schlichtes Wählscheibentelefon.
Vorsichtig, wobei er kaum zu atmen wagte, stellte er den Keramikpinguin (JETZT IST MEINE GESCHICHTE ERZÄHLT!, lautete die Inschrift auf dem Eisblock) wieder auf den Nippestisch und rollte durch das Zimmer auf das Telefon zu.
Vor dem Sofa stand ein Tisch, um den er in einem weiten Bogen herumfuhr. Auf diesem stand ein Strauß Trockenblumen in einer hässlichen grünen Vase, und das Ganze sah mehr als kopflastig aus, als würde es umkippen, wenn er nur sanft darüberstrich.
Draußen waren keine Autos zu hören - nur das Pfeifen des Windes.
Er griff mit einer Hand nach dem Telefonhörer und nahm ihn langsam ab.
Ein seltsam vorausahnendes Gefühl der Hoffnungslosigkeit überfiel ihn, noch bevor er den Hörer ans Ohr gehalten hatte und nichts hörte. Er legte den Hörer langsam wieder auf, und ein Vers aus einem alten Roger-Miller-Song fiel ihm ein, der einen gewissen sinnlosen Sinn ergab: No phone, no pool, no pets … I ain’t got no cigarettes … Kein Telefon, kein Pool, keine Haustiere - und keine Zigaretten.
Er folgte der Telefonleitung mit den Augen und sah die kleine rechteckige Steckdose über der Fußleiste, sah auch, dass der Stecker steckte. Alles sah perfekt und funktionstüchtig aus.
Wie der Stall mit seiner Begleitheizung.
Den Schein zu wahren ist sehr, sehr wichtig.
Er schloss die Augen und sah Annie, die den Stecker herausnahm und Elmer’s-Glue-Leim in das Loch in der Steckdose füllte. Sah sie den Stecker in den weißen Leim drücken, wo er erstarren und für ewige Zeiten festfrieren würde. Die Telefongesellschaft würde niemals erfahren, dass etwas nicht stimmte, es sei denn, jemand würde versuchen, Annie anzurufen, und meldete dann, dass die Leitung gestört war. Aber niemand rief Annie jemals an, oder? Sie bekam jeden Monat eine Rechnung für ihr totes Telefon, die sie prompt bezahlte, aber das Telefon war nichts weiter als ein Bühnenrequisit, Bestandteil ihres niemals endenden Bemühens, den Schein zu wahren, wie der saubere Stall mit der frischen roten Farbe und den cremefarbenen Verzierungen und der Begleitheizung, um im Winter das Eis abzuschmelzen. Hatte sie das Telefon für den Fall einer
Unternehmung wie dieser unbrauchbar gemacht? Hatte sie die Möglichkeit vorhergesehen, dass er aus dem Zimmer herauskommen könnte? Das bezweifelte er. Das Telefon - das funktionierende Telefon - wäre ihr sicher schon lange vor seiner Ankunft auf die Nerven gegangen. Sicher hatte sie nachts wach gelegen und zur Decke gestarrt, hatte dem Heulen des Gebirgswindes gelauscht und sich alle Menschen vorgestellt, die mit Missfallen oder offener Boshaftigkeit an sie dachten - alle Roydmans dieser Welt -, Menschen, die sie, jeder von ihnen und zu jeder Zeit, anrufen und ins Telefon schreien konnten: Du hast es getan, Annie! Sie haben dich den ganzen Weg nach Denver gebracht, und wir wissen, dass du es getan hast! Man wird nicht bis nach Denver gebracht, wenn man unschuldig ist. Sie hätte selbstverständlich eine Geheimnummer verlangen können und hätte sie auch bekommen - jeder, der eines nicht unerheblichen Verbrechens angeklagt worden und freigesprochen worden war, hätte das getan (und wenn die Verhandlung in Denver gewesen war, dann konnte es nicht
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