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Sieben

Sieben

Titel: Sieben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Frost
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nicht wenigstens so lange für unschuldig halten, bis das Gegenteil bewiesen ist? »Alles in Ordnung, Doyle?« fragte Sparks gelassen. »Hmm. Sie würden mir wohl kaum abnehmen, daß mir
nicht
eine Menge im Kopf herumgeht, was?«
    »Bestimmt nicht.«
    »Ich schätze, ich habe wohl das gleiche Recht, dann und wann vor mich hinzubrüten, wie jeder andere.«
    »Das will ich nicht bestreiten.«
    »Schließlich bin ich derjenige, dessen Leben ganz schön aus den Fugen geraten ist...«
    Ein Schrei hinter der Stationstür, an der sie gerade vorbeigingen, unterbrach ihn. Es war ein langgezogener Schrei, schrill und voller Schmerz. Eine Kinderstimme. Doyle drehte sich um und schaute in den Saal hinein.
    Man hatte die Betten zur Seite geschoben. Er sah ein mechanisches Karussell und mehrere Kinder in Krankenhausnachthemden, die auf sechs Holzpferden saßen. Sie standen auf einer Seite des großen, L-förmigen Raumes. Drei stämmige Parterreakrobaten in roten Russenkitteln sprangen soeben von den Schultern ihrer Partner. Ein watschelnder, rotnasiger Clown hatte gerade damit aufgehört, seinen Leierkasten zu spielen, und drängelte sich hinter ein Schwesternquartett, das sich bemühte, das Kind zu beruhigen, dessen hysterischer Ausbruch den Raum zum Schweigen gebracht hatte. Es war ein kleiner, in einen seidigen Harlekinanzug aus zahlreichen Flicken gekleideter Junge. Die Flicken waren in der Mehrzahl von violetter und blauer Farbe. Der Knabe war etwa zehn Jahre alt. Sein Schädel war so bleich und kahl wie ein Hühnerei; die Hautfalten an seinem Nacken waren eigenartig gerunzelt.
    Spiveys Vision! Männer in Rot. Pferde. Ein in helles Blau gekleideter Junge. Doyle verspürte einen unangenehmen Schlag im Rückgrat und bekam eine Gänsehaut. Sparks schob sich an ihm vorbei in den Raum. Doyle schritt rasch an ihm vorbei und ging auf den Jungen zu.
    »Schwatzloch!« glaubte er den Jungen aufheulen zu hören. Seine Pupillen waren nach oben gerutscht. Seine Arme schlugen um sich, sein ganzer Körper wand sich in krampfartigen Zukkungen.
    »Was ist passiert?« fragte Doyle die Oberschwester.
    »Wir unterhalten die Kinder ...«, sagte sie resolut und bemühte sich im Verein mit den anderen, den um sich schlagenden Jungen festzuhalten. »Er gehört zu denen da. Er ist einer der Gaukler.«
    Der weißgesichtige Clown drängte sich nach vorn. »Wat is mit ihm passiert?« fragte er, eher irritiert als besorgt.
    »Schwatzloch! Schwatzloch!« schrie der Junge.
    »Wat is ʹn mit ihm los?« fragte der Mann erneut. Doyle stellte fest, daß sein Atem nach Rum und Pfefferminz roch.
    »Bleiben Sie bitte weg«, wies die Schwester den Clown an. Während das Personal noch immer damit beschäftigt war, den Jungen festzuhalten, fühlte Doyle dessen Puls und schaute ihm in die Augen. Das Herz des Jungen raste, seine Pupillen waren riesengroß. Dünne, klare Schaumbläschen bliesen sich in seinen Mundwinkeln auf.
    »Schwarzer Lord! Schwarzer Lord!« Die Worte wurden nun deutlicher. »Wat sacht er 'n da?« fragte der Clown und drängte sich erneut heran. »Wie heißt der Junge?« fragte Doyle den Mann. »Joey ...«
    »Ist er Ihr Sohn?«
    »Er is mein Lehrling«, erwiderte der Clown widerstrebend. »Ich bin Big Roger, er is Little Roger.«
    Unter der weißen Schminke war das Gesicht des Mannes ölig und von Pockennarben übersät. Aus der Nähe betrachtet, betonte das breite, rote, künstliche Lächeln, das seinen Mund überdeckte, nur die dünnlippige Häme, die eindeutig seine Alltagsmiene war.
    »Hat er so etwas schon mal gehabt?« fragte Doyle.
    »Nein, nie ... Au!« Der Clown schrie schmerzhaft auf, denn Sparks umklammerte seinen Nacken mit einem Würgegriff.
    »Sie sollten dem Doktor lieber die Wahrheit sagen«, sagte er.
    »Einmal! Is vielleicht sechs Wochen her! Wir war'n am Battersea unten, vorm Bahnhof, vormittags. Und mittendrin hat er's dann auch so gemacht...«
    »Schwarzer Lord! Schwarzer Lord!« schrie der kleine Junge wieder.
    »Halten Sie ihn fest«, sagte Doyle zu den Schwestern.
    Der Junge riß seine Hände mit einem durchdringenden, schrillen Schrei los und kratzte sich wild am Kopf. Seine Fingernägel schlugen in die Haut und rissen sie bis zum Knochen auf. Die anderen Kinder, die sich in einem ängstlichen Knäuel um sie herum versammelt hatten, stoben schreiend auseinander und rannten davon. Hysterie breitete sich aus wie ein durch die Luft übertragbarer Virus.
    »Haltet ihn fest!«
    Unter der zerrissenen Haut des Jungen wurden Haare

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