Sieben
sichtbar; ein voller sandfarbener Schopf kam zum Vorschein. Der Junge trägt eine Gummiglatze, erkannte Doyle, als der Schock abflaute, eine Maske wie die seines älteren Partners. Als die verständnislosen Schwestern vor Entsetzen zurückwichen, tat Sparks einen Schritt nach vorn, nahm den Jungen auf und trug ihn von der Menge fort hinter eine Reihe spanischer Wände.
»Schnell, Doyle«, sagte er. Er setzte den Jungen auf ein Bett. Doyle kniete sich hin und schob sich an das Kind heran. »Joey, hör zu. Hör auf meine Stimme! Kannst du mich hören?«
Das Gesicht des Jungen war leer und ausdruckslos, aber er sagte kein Wort mehr. Doyles Stimme jedoch schien den dichten Nebel, der ihn umgab, zu durchdringen. Joey erlaubte ihm ohne Widerstand, seine Hände zu ergreifen.
»Kannst du mich hören, Joey?«
Sparks zog die Abschirmungen rings um das Bett, damit man sie nicht mehr sah, dann stellte er sich hinter Doyle und dem Jungen als Wache auf. Doch für die panische Menge, deren Geschrei noch immer den Raum erfüllte, schien die Ursache schon längst nicht mehr wichtig zu sein. »Joey, du kannst mich hören, nicht wahr?« fragte Doyle. Joeys Augen flackerten schwach hinter halbgeschlossenen Lidern. Nur das Weiße war sichtbar. Der Junge nickte langsam.
»Erzähl mir, was du siehst, Joey.«
Der Junge leckte über seine gesprungenen und ausgedörrten Lippen. Blut tropfte aus den gezackten Wunden an seinem Kopf, die er sich selbst beigebracht hatte. »Der Schwarze Lord ...«
»Ja, Joey. Erzähl's mir ...«
Joeys kleines, rundes Gesicht nahm stille Würde an. Seine Stimme, vormals hell wie ein Glöckchen, erklang nun in einer wohltönenden Reife, die sein unschuldiges Gesicht Lügen strafte. »Der Schwarze Lord ... sucht einen Durchgang. Durchgang auf diese Seite.«
Durchgang. Hatte nicht auch Spivey Quince in der Trance einen Durchgang erwähnt? »Auf welche Seite, Joey?«
»Die körperliche.«
»Wo ist er jetzt?«
Joey hielt inne, seine Augäpfel flitzten hin und her, er sah etwas. Dann schüttelte er langsam den Kopf. »Nicht hier.«
»Welcher Durchgang, Joey?«
»Wiedergeburt.«
»Wiedergeburt ins körperliche Leben?« fragte Doyle. Joey nickte schwach. Doyle fing Sparks' Blick auf. Er beobachtete sie über die Schulter hinweg und lauschte. »Sie wollen ihm dabei helfen«, sagte Joey. »Wer will das?«
»Die Sieben.«
Die Sieben. Gott im Himmel. »Wer sind die Sieben?«
»Sie dienen ... Sie haben ihm schon früher gedient.«
»Was wollen sie?«
»Den Weg vorbereiten. Sie sind auf dieser Seite.«
»Wer sind sie, Joey? Wer sind die Sieben?«
Es folgte eine lange Pause, dann schüttelte Joey erneut den Kopf.
»Was will er hier?«
»Er will den Thron. Er will König werden ... Tausend Jahre lang.«
Auch Spivey Quince hatte, die Zeichnung des Mediums in Händen, einen Thron oder eine Krone erwähnt.
»Was ist er, Joey? Was ist dieses Ding?« fragte Doyle. Er bemühte sich, mehr Kraft in den Körper zu bringen, von dem er spürte, daß er in seinem Griff erschlaffte.
Joeys Gesicht wurde noch bleicher. Er schien auf eine tiefere Ebene hinabzugelangen. Hellroter, lachsfarbener Schaum rann von seinen Lippen. Sein Brustkorb hob sich unter großer Anstrengung; seine Stimme wurde nun beträchtlich leiser.
»Er hat viele Namen. Es hat ihn immer gegeben. Er wartet draußen. Seelen nähren ihn ... Er mästet sich an ihrem Untergang. Aber er wird nie zufrieden sein ... Nicht einmal der Große Krieg wird ihn befriedigen ...«
Der Junge holte Luft, dann öffnete er die Augen. Sein Blick war klar, er war wieder bei sich. Er schaute, nun zum ersten Mal hellwach, zu Doyle auf und schien sich seiner eigenen Zerbrechlichkeit schrecklich bewußt zu sein.
»Joey?«
Joey schüttelte in einer glückseligen Aura der Akzeptanz den Kopf; doch als er dann an Doyle vorbeischaute, hob er zitternd eine Hand und deutete auf Sparks.
»Er ist ein ...
Arhanta«,
sagte er.
Sparks musterte den Jungen gespannt. Ein dunkler Rand des Entsetzens überschattete seinen gesenkten Blick. Dann ertönte ein scharfes Bellen, und Doyle wandte sich wieder zu Joey um. Unter einem explosivem Husten blutete sich der Junge innerlich zu Tode; ein Strom heißer, rosafarbener Flüssigkeit lief über sein Kinn, tropfte auf seinen Seidenblouson. Joeys Gewicht schien plötzlich zuzunehmen, um sich kurz darauf zu stabilisieren; dann brach der Junge in Doyles Armen zusammen. Er spürte, wie das Leben nun gänzlich aus dem kleinen Körper floh. Er ließ
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