Sieben
deutlich und schnell wie Elritzen in einem seichten Fluß. Vom Temperament her schien sie zu jeder vorsätzlichen Täuschung unfähig; ihre Schönheit unterstrich nur die quecksilbrige Transparenz zu ihrem innersten Spiegel. Als Doyle die warme, feuchte Berührung ihrer Hände spürte, wurde ihm schlagartig bewußt, daß sie nie ein einziges Wort miteinander gewechselt hatten. Plötzlich traten Tränen in seine Augen, und obwohl er nicht die geringste Ahnung hatte, wie er anfangen sollte, suchte er verzweifelt nach Worten.
»Sind Sie in Ordnung?« fragte er schließlich.
Sie nickte mehrmals und versuchte, ihre Stimme zu finden. Auch ihre Augen glitzerten feucht.
»Ich hatte die Hoffnung, daß Sie noch leben, schon längst aufgegeben«, sagte er leise, ließ ihre Hände los und bemühte sich, seine Gefühle zu verbergen.
»Ich auch«, sagte sie mit einer warmen Altstimme, »aber Sie, Sir, haben in mir durch Ihren Mut und Ihre Güte neue Zuversicht geweckt.«
»Aber Sie leben noch«, sagte Doyle. »Und das ist alles, was zählt.«
Sie schaute zu ihm auf, hielt seinem Blick stand und nickte erneut. Ihre Augen waren groß, durch dunkle, wohlgeformte Brauen unterstrichen, verlockend mandelförmig, ihre Farbe ein verblüffendes Meergrün.
»Sie können sich nicht vorstellen, wie oft ich an Ihr Gesicht gedacht habe«, sagte sie. Sie streckte eine tastende Hand aus, um ihn zu berühren, zog sie jedoch zurück, bevor es dazu kam.
»Wie heißen Sie?«
»Eileen.«
»Wir müssen uns dem Blick der Öffentlichkeit auf der Stelle entziehen«, ertönte auf einmal die Stimme von Sparks. Er war plötzlich neben Doyle aufgetaucht. »Wir nehmen Stokers Zimmer. Hierher, bitte, Madam.«
Sparks deutete auf Stoker, der an der Treppe auf sie wartete. Doyle war erstaunt über die Schroffheit, mit der er Eileen ansprach, und warf ihm einen vernichtenden Blick zu. Sparks reagierte jedoch nicht auf ihn. Doyle folgte Eileen durch den Raum. Sie nahm Stokers angebotenen Arm, und sie gingen die Treppe hinauf. Sparks führte sie in den zweiten Stock. Bevor sie Stokers Zimmer mit der Dachschräge und der niedrigen Decke betreten und die Tür hinter sich geschlossen hatten, sprach niemand ein Wort.
»Nehmen Sie bitte Platz, Madam«, sagte Sparks kühl. Er packte die Rückenlehne eines Stuhles und knallte ihn unzeremoniell in die Mitte des Raumes.
Eileen schenkte Doyle einen gequälten und verletzlichen Blick, dann trat sie an den Stuhl heran und setzte sich.
»Also wirklich, Jack«, begann Doyle. »Müssen Sie unbedingt diesen Tonfall...«
»Seien Sie still!« befahl Sparks. Doyle war zu bestürzt, um etwas zu erwidern. Nie zuvor hatte er Sparks in einer so gebieterischen Art erlebt. »Oder muß ich Sie daran erinnern, Doyle, daß diese Frau in den Diensten unserer Feinde stand und durch die trügerische Kunst ihres Auftritts einen grundlegenden Beitrag dazu leistete, daß man Sie in eine Falle gelockt, betrogen und fast ermordet hat?«
»Aber doch unwissentlich!« protestierte Eileen. »Ich versichere Ihnen ...«
»Vielen Dank, Madam«, erwiderte Sparks gallig. »Wenn Ihre Selbstverteidigung erforderlich ist, werden wir uns raschestens danach erkundigen.«
»Jack, also bitte ...«
»Doyle, ich würde es sehr zu schätzen wissen, wenn Sie so freundlich wären, Ihre fehlgeleiteten, verrückten Gemütsbewegungen so lange zu bezähmen, bis ich so etwas wie eine Gelegenheit hatte, die Wahrheit aus dieser Abenteurerin herauszuholen.«
Von Sparks' ungebrochenem Zorn getroffen, begann Eileen nun leise und hilflos zu weinen und sah Doyle um Beistand bittend an. Doch statt Sparks' Verärgerung zu bezähmen, diente ihre Gefühlsflut nur dazu, seine Streitlust anzuheizen.
»Ihre Tränen, Madam, sind augenblicklich reine Verschwendung. So überzeugend sie möglicherweise früher ausfielen - und so mühelos Sie sie aufgrund ihres einstudierten Geschicks auch erzeugen können: Ich versichere Ihnen, Sie werden mich sowenig beeinflussen wie der Regen einen Fluß. Sie werden mich nicht rühren. Ein Hintergehen solchen Ausmaßes, und sei es auch noch so ahnungslos erfolgt, verdient keine Annahme von Unschuld. Ich werde die Wahrheit aus Ihnen herausholen, Madam. Machen Sie sich keine falschen Hoffnungen. Und jeder weitere Versuch, den sanftmütigen Charakter meines Gefährten zu Ihren Gunsten zu manipulieren, wird Ihnen nicht das geringste nützen!«
Sparks hatte seine Stimme im Interesse der Diskretion kaum über die einer Konversation hinaus
Weitere Kostenlose Bücher