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Sieben

Sieben

Titel: Sieben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Frost
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verwunderlich, daß die beiden während der Nacht ihre Flucht beschlossen haben konnten. Zumindest ging man solange davon aus, bis man während der Abendvorstellung die Entdeckung machte.« Stoker nahm einen großen Schluck aus seinem Glas. Er sah so aus, als brauche er ihn. »Sind Sie mit der
Tragödie des Rächers
vertraut, Mr. Sparks?«
    »Ja«, sagte Sparks.
    »Ein äußerst wüstes Grand-Guignol-Stück«, sagte Stoker. »Nicht eben ein erbauliches Spektakel. Man spielt es, wie man in der Branche so sagt, vor billigen Plätzen. Es besteht praktisch nur aus einem ständigen Strom unmotivierter Barbarei, aber sein Ausgang liefert eine besonders lebendige Guillotinenszene und führt einen Bühnentrick vor, den man nur als besonderes Kunststück des Ultrarealismus beschreiben kann. Als der Requisiteur sich an diesem Abend an seine Aufgabe machte, die Requisiten an die vorgeschriebenen Orte zu befördern, überprüfte er auch den verhüllten Korb, der vor der Schneide stand. In dem Korb befanden sich die Holzköpfe, die die Überbleibsel kürzlich Geköpfter simulierten. Als der Deckel später an diesem Abend, auf dem Höhepunkt der Vorstellung, gehoben wurde, um den Korbinhalt zu zeigen ... lagen in ihm die Köpfe der beiden vermißten Schauspieler.«
    »Gütiger Gott«, sagte Doyle. »Gütiger Gott.« Unter den gemischten Gefühlen, die ihn durchpulsten, herrschte das schwindelnde Empfinden der Erleichterung vor: Jack Sparks war in der Nacht des 28. Dezember mit ihm zusammen gewesen - auf der Landstraße, auf dem Boot, zwischen Cambridge und Topping. Wenn diese Morde das Werk Alexander Sparks' waren - und sie trugen seine grausige und unmißverständliche Handschrift, dann war seine Befürchtung, daß die beiden Brüder ein und dieselbe Person waren, völlig aus der Luft gegriffen.
    »Der Schauspieler, der die Entdeckung machte, wurde auf der Bühne ohnmächtig. Die Vorstellung wurde natürlich abgebrochen, und sämtliche nachfolgenden Engagements der Manchester Players noch am gleichen Abend per Telegramm abgesagt. Ich erfuhr erst am nächsten Morgen von den Morden und machte mich sofort nach Nottingham auf, wo ich am späten Nachmittag des neunundzwanzigsten ankam. Doch es scheint, als sei der Rest der Truppe, noch bevor irgendeine Untersuchung hinsichtlich ihrer Vorbereitungen durchgeführt werden konnte die Rückgabe erhaltener Quittungen, das Verpacken und Versenden von Kostümen, Bühnenbildern und dergleichen -, untergetaucht, einfach verschwunden, ebenso wie die ersten beiden: Die Hotelrechnungen wurden nicht bezahlt, die Koffer und der persönliche Besitz blieben in den Zimmern zurück. Die örtliche Polizei war nur zu glücklich, ihren plötzlichen Aufbruch dem noch immer umgehenden Irrglauben zuschreiben zu können, daß Schauspieler opportunistische Zigeuner sind, die nicht nur vor ihren Gläubigern fliehen, sondern möglicherweise auch vor einer sträflichen Verstrickung in einen unappetitlichen Doppelmord, den diese stille Midlands-Gemeinde nie zu sehen gehofft hat.«
    »Wie viele Köpfe umfaßte die Truppe insgesamt?« fragte Sparks.
    »Achtzehn.«
    Sparks schüttelte langsam den Kopf. »Ich fürchte, wir werden sie nie wiedersehen.«
    Stoker schaute ihn lange an, dann sagte er: »Ich teile Ihre Befürchtung, Mr. Sparks.«
    »Die beiden, die ermordet wurden«, sagte Doyle, »waren es ein Mann und eine Frau?«
    »Ein Ehepaar«, sagte Stoker. »Und die Frau war im sechsten Monat schwanger.« Sein Widerwille über die Abscheulichkeit kam nun zum ersten Mal unter dem Glanz seines Auftretens zum Vorschein.
    Das Paar, das ich bei der Seance gesehen habe, dachte Doyle. Das junge Paar, das neben ihm gesessen hatte. Der angebliche Arbeiter und seine schwangere Frau. Das bedeutete, daß das Medium und der dunkelhäutige Mann echt gewesen waren - kein Mietpersonal, sondern Mitarbeiter der Organisatoren. Was wiederum bedeutete, daß der Mann, der am Tatort umgekommen war, der Schauspieler gewesen war, der die Rolle von George B. Rathborne gespielt hatte.
    »Verzeihung, Mr. Stoker«, sagte Doyle drängend. »Gibt es einen Bühnentrick, eine Methode, die realistisch simuliert, wie man die Kehle eines Menschen mit einem Messer oder Rasiermesser durchschneidet?«
    »Das ist eine Kleinigkeit«, sagte Stoker. »Die Klinge hat eine hohle Schneide, und darin führt ein Schlitz zu einer Innenvertiefung, die mit einer Flüssigkeit gefüllt ist. Man verspritzt sie durch einen Knopf im Griff, den derjenige, betätigt, der es

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