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Sieben

Sieben

Titel: Sieben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Frost
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unorthodoxen Auftrag anzunehmen? Man hat ihnen für die Vorstellung eine ungewöhnlich hohe Summe garantiert; die Hälfte wurde offenbar als Vorschuß entrichtet. Die andere Hälfte sollte nach der Aufführung gezahlt werden.
    Welchem Zweck diese mysteriöse Vorstellung diente? Man hat es ihnen nie erzählt, doch alles deutet und ich bin mir sicher, daß Sie sich daran erinnern auf Hamlets Hartnäckigkeit im zweiten Akt auf den Schauspielerkönig hin: Wie bei Shakespeare sollte auch diese Wiederaufführung eines kaltblütigen Mordes dazu dienen, irgendeine Reaktion in dem einzigen Menschen, der sein Publikum war, hervorzurufen.«
    »Mord«, sagte Doyle. Er spürte, daß seine Kehle sich empfindlich verengte. Ein Seitenblick auf Sparks zeigte ihm einen Ausdruck ähnlicher Intensität.
    »Darüber, wer dieser Mensch war oder wie die ersehnte Reaktion ausfallen sollte, wurde kein Wort verloren. Trotz alledem endete diese Geschichte viel monströser als angenommen: Während der Vorstellung betraten plötzlich neue und unerwartete Charaktere die Bühne und trieben die Wanderschauspieler weit über die Vorstellung dessen hinaus, was sie so sorgfältig einstudiert hatten. Irgend etwas ist unheimlich schiefgegangen.« Stoker beugte sich zu ihnen vor, und seine Stimme wurde fast zu einem Flüstern. »Es wurde echtes Blut vergossen.«
    Obwohl Doyle keineswegs sicher war, ob er sein Herz daran hindern konnte, aus seiner Kehle zu springen, gelang es ihm mit übermenschlicher Anstrengung, kein Wort zu sagen.
    »Die Schauspieler zerstreuten sich«, fuhr Stoker fort. »Ein Akteur kam auf der Bühne um und hat das Bewußtsein nie wiedererlangt. Wahrscheinlich tot.« Stoker legte eine Pause ein und schaute sie der Reihe nach an.
    Laß sie es nicht sein, dachte Doyle. Lieber Gott, wenn sie noch lebt, gebe ich mein Leben für das ihre.
    »Ich brauche wohl nicht zu betonen, daß die Überlebenden nicht grundlos um ihr Leben fürchteten. Sie haben Schutz im Obdach des einzigen ihnen bekannten sicheren Hafens gesucht und sind zu ihrer Theatergruppe zurückgekehrt.«
    »Zu den Manchester Players«, sagte Sparks.
    Stoker zuckte mit keiner Wimper. »Ja. Zu den glücklosen Manchester Players.«
    Er zog einen Handzettel aus der Jackentasche, der das von den Manchester Players produzierte Stück
Die Tragödie des Rächers
ankündigte. Er zeigte die gleiche Gestaltung wie jener, den sie auf dem Schreibtisch im Büro von Rathborne & Sons gefunden hatten. Die Daten kündigten die Aufführung in der vergangenen Woche in der naheliegenden Stadt Scarborough an. Man hatte einen kleinen Streifen über den Zettel geklebt, auf dem ABGESAGT stand.
    »Als ich davon hörte, habe ich das Gerücht zu seiner Quelle zurückverfolgt. Ein einst bei mir angestellter Bühneninspizient hat es von einem Schauspieler gehört, der das Manchester-Ensemble aus familiären Gründen verlassen hatte, als es im letzten Herbst in London spielte. Ich machte verblüfft ein paar Anfragen und erfuhr von einem Produzenten ihren Reiseplan. Das war am achtundzwanzigsten Dezember. Am gleichen Tag erreichten die Manchester Players Nottingham, wo sie ein zweitägiges Engagement hatten. Am gleichen Tag stießen die beiden Schauspieler zu ihnen, die an der Aufführung teilgenommen hatten ...«
    »Wie viele waren es insgesamt?« Verdammt seien der Mann und seine langatmigen Erklärungen. Doyle fühlte sich voll im Recht, seine Frage zu stellen.
    »Vier«, sagte Stoker. »Zwei Männer und zwei Frauen.«
    »Wer ist auf der Bühne umgekommen?«
    »Doyle ...«, sagte Sparks.
    »Ich muß es wissen: Wer?«
    »Einer der Männer«, sagte Stoker. Er hielt nun inne, nicht gereizt, doch auf eine Weise, die Respekt verlangte - sowohl für den Ernst der Erzählung als auch für den Glauben an sein erzählerisches Können.
    »Fahren Sie bitte fort«, sagte Doyle, dessen Herz nun noch schneller schlug.
    »Am Abend des achtundzwanzigsten Dezember sind eben diese beiden Mitglieder des Ensembles aus ihrem Hotel in Nottingham verschwunden. Obwohl sie ihren Kollegen erzählt hatten, daß sie um ihr Leben fürchteten - und tatsächlich alle vernünftigen Vorkehrungen trafen, um für ihre Sicherheit zu sorgen; sie sicherten Fenster und Türen und ließen die Lichter brennen -, waren sie am nächsten Morgen nicht mehr in ihren Betten. Das Gepäck war noch da, es gab keine Spuren eines Kampfes. Angesichts ihres extrem erregten Zustandes erschien es den anderen Mitgliedern des Ensembles nicht gänzlich

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