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Sieben

Sieben

Titel: Sieben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Frost
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sah Doyle, daß der lange Tisch für das Abendessen gedeckt war. Vor dem Kamin hielten sich gut gekleidete Gäste auf. Während der unheilvolle Schatten General Drummonds hinter ihnen herzog, führte Chandros Doyle neben dem Treppenabsatz durch eine Tür, die auf einen hohen Balkon hinausführte. Im Westen, wo die Sonne genau auf der Horizontlinie balancierte, eröffnete sich ein ausgedehntes Panorama.
    »Wer ist das größte Hindernis im Leben eines Menschen?« fragte Chandros, der seine Zigarre paffte. »Der Mensch selbst. Da liegt der Hase im Pfeffer! Es ist seine eigene verfluchte animalische Natur. Er befindet sich fortwährend im Krieg mit der höheren Macht in seinem Inneren. Kann sich nicht ergeben. Da lebt ein Genius Wange an Wange im gleichen Knochensack mit einem Untermenschen zusammen - und lassen Sie sich gesagt sein, Sir, dieser Untermensch ist nichts anderes als ein Höhlenmensch, ein halbgescheiter Dummkopf, ohne den gesunden Menschenverstand, den man zum Leben braucht. Aber es kommt noch schlimmer: Dieser dämliche Trottel glaubt nämlich, er sei der seit langem verschollene Sohn Gottes; es sei nur eine Frage der Zeit, bis die Welt ihn wieder auf den Thron setzt, auf den er gehört. Bis dahin arbeitet er wie ein blöder Ochse, säuft, spielt, hurt und verpißt sein Leben. Er stirbt, indem er nach Gott schreit, der ihn alleingelassen hat, er möge seine elende Seele retten, die keinen Penny wert ist. Ich möchte Ihnen eine Frage stellen: Welche Gottheit, die auch nur alle Sinne beisammen hat, würde eine Sekunde ihrer kostbaren Zeit dazu verschwenden, einem jämmerlichen Wicht dieser Art zuzuhören?«
    »Ich habe nicht die geringste Ahnung«, sagte Doyle. Die kalte Selbstsicherheit des Mannes ließ ihn zurückschrecken. »Ich sag's Ihnen: keine Gottheit, die auch nur einen Pfifferling wert ist.« Chandros verschränkte die Arme vor der Brust, lehnte sich an die Wand und schaute über das Land. »Nun haben die Christen allen etwas voraus. Fraglos. Einen toten Juden mit ein paar feinen Tricks im Ärmel, der von ein paar fanatischen Jüngern wie ein Haarwuchsmittel angepriesen wird. Einen konvertierten Kaiser später haben sie ein heiliges Reich, neben dem jedes andere der Geschichte verblaßt. Es hält sich zweitausend Jahre.
    Wie haben sie es hingekriegt? Das Geheimnis ihres Erfolges war Einfachheit: Konzentriere die Macht. Verpacke sie in Rätsel. Die versteckst du im größten Bauwerk der Stadt. Schreibe ein paar Gebote nieder, damit die Tölpel nicht aus der Reihe tanzen. Stelle Regeln auf, wie Geburt, Tod und Ehe zu sein haben. Erzeuge Angst vor der Verdammnis, bringe etwas Rauch und ein bißchen Musik ins Spiel, Dann hast du das erste Gebot: Biete ihnen eine gute Schau, dann kommen die Kunden zu den Brosamen des Festes der Heiligen auf den Knien angekrochen. Und das ... das war schon alles.«
    Drummond schnaubte erneut. Doyle wußte nicht genau, ob es ablehnend oder zustimmend gemeint war.
    Chandros saugte an seiner Zigarre und kaute auf ihr herum. Seine verblüffend blauen Augen funkelten in eingebungsvollem Eifer. »Also: Wie macht man aus halb verblödetem, geilem Nutzvieh ein zahmes, produktives Werkzeug, das bereit ist, die Ärmel hochzukrempeln und sich auf ein besseres Leben einzustimmen? Das ist das Rätsel, das jeder lösen muß, der die Absicht hat zu herrschen, sei es nun die Religion, die Regierung, die Geschäftswelt oder wer auch immer. Und dies war die simple und doch so geniale Lösung der Christen: Überzeuge deine Wähler von einer großen Lüge. Wir besitzen den Schlüssel zum Himmelstor! Wenn du die Reise antreten willst, Bruder, mußt du es unter unserer Schirmherrschaft tun. Klar, die Werbung dafür, wie es im Paradies aussieht, hat geholfen, um den Handel zum Abschluß zu bringen: Furcht zwingt die armen, unwissenden Tölpel auf die Knie, und sie entzünden Kerzen, als gäbe es kein Morgen. Und wollen wir doch offen sein: der Gottseibeiuns war stets ihre beste Abschreckung - er ist derjenige, den man gern haßt; der einen so in Angst versetzt, daß man in seine langen Unterhosen schifft. Und doch kann man den Blick nicht von ihm abwenden. Er ist derjenige, der die Damen einseift, nicht der einfältige Messias mit dem Rehblick. Bringt man den Teufel ins Gespräch, um die Suppe zu würzen, hat man die makellose Formel für religiöse Hegemonie. Funktionierte wie eine Schweizer Uhr. Unvergleichlich.
    Doch der Fortschritt, der sich, wie Sie wissen, unabhängig von unseren

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