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Sieben

Sieben

Titel: Sieben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Frost
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pechschwarzes Haar, ein exotischer Fleck auf milchweißem Leinen. Zu seiner Überraschung hatte er keine Schwierigkeiten, dieses eher zärtliche Gefühl mit dem drängenden, animalischen Feuer in Einklang zu bringen, das sie erst wenige Minuten zuvor einander in die Arme getrieben hatte. Kein einziger Akt in seinem Leben war ihm je aufrichtiger erschienen. Er schlief ein und dankte seiner Mutter, weil sie es versäumt hatte, ihn vor Schauspielerinnen zu warnen.
    Als Doyle aus dem Schlaf hochschreckte, flohen seine Träume wie ertappte Einbrecher. Das Licht im Zimmer war matt, eine Spur von Dunkelrot drang in einem spitzen, steilen Winkel durch das Fenster. Sein Instinkt sagte ihm, daß jemand, während er geschlafen hatte, hier gewesen war. Er richtete sich auf. Seine hastig zu Boden geworfenen Kleider waren nirgendwo zu sehen. Auf dem anderen Bett lagen ein Abendanzug für einen Gentleman und ein schwarzes Damensamtkleid. Eileen lag schlafend neben ihm. Ein scharfer Schmerz in der Magengegend machte ihm klar, daß er schrecklichen Hunger hatte.
    Doyle stellte fest, daß sein Chronometer ordentlich auf der Tasche des Dinnerjacketts lag. Er öffnete es. Vier Uhr. Der Tag war fast vorbei! Er schlüpfte in die perfekt sitzenden Hosen, zog die Träger über seine Schultern und schlich auf leisen Sohlen zum Fenster. Die Sonne näherte sich im Westen schon dem Horizont. Auf dem Hof herrschte nach wie vor Aktivität, und auf den Wällen patrouillierten noch immer Bewaffnete. In der nahe liegenden Fabrik war die Arbeit offenbar beendet, die Schornsteine stießen keinen Rauch mehr aus. Doch von einem der kleineren, tiefer im Moor liegenden Häuser stieg eine dünne Rauchfahne zum Himmel auf.
    Doyle schob eine Hand unter das Sofakissen, stellte fest, daß die Phiolen und Spritzen noch an Ort und Stelle waren, und ging ins Bad, um sich seiner Körperpflege zu widmen. Ein Glas heißes Wasser, ein Rasierbecher und ein Rasiermesser standen zusammen mit einem Becher adstringierenden Lorbeers neben einer Keramikschüssel vor dem Spiegel.
    Frisch gewaschen kehrte Doyle fünf Minuten später ins Schlafzimmer zurück. Eileen saß auf der Bettkante, hatte ein Laken um sich geschlungen und drückte einen Handballen gegen ihre Stirn.
    »Hast du mir gegen den Kopf getreten oder mich nur mit einem Knüppel verdroschen?«
    »Wenn du erst einmal aufstehst und dich bewegst, wird es dir besser gehen. Sie haben uns Kleider gebracht; feine Sachen. Allem Anschein nach kleiden wir uns zum Dinner an.«
    »Essen.« Das Wort traf sie wie eine Offenbarung und schien ihr Unbehagen zu dämpfen. Sie schaute zu ihm auf, wie um den unvorstellbaren Gedanken mit ihm zu teilen. »Essen.«
    »Die Idee ist nicht ohne Reiz«, sagte Doyle, küßte sie und trat an das andere Bett.
    »Ich komme mir vor, als hätte ich seit Monaten nichts mehr gegessen.«
    »Laß dir Zeit«, sagte Doyle. »Ich werde mich mal ein wenig umsehen.« Er schlüpfte schnell in die restlichen Kleider.
    »Ich habe zwar noch eine vage Vorstellung von Nahrung«, sagte Eileen, die, das Laken hinter sich herziehend, ins Bad schlenderte, »aber ich glaube, ich kann mich nicht mehr erinnern, wie so etwas schmeckt.«
    Doyle knotete seine Krawatte, überprüfte seine Erscheinung im Spiegel, steckte das Tuch in die Brusttasche und ging zur Tür. Sie war unverschlossen.
    Getragene Kammermusik wehte von irgendwo aus dem Erdgeschoß zu ihm hinauf. Als er das Schlafzimmer verließ, erhoben sich im Korridor zwei Männer von ihren Stühlen. Sie schienen beide Anfang Fünfzig zu sein und trugen ähnliche Abendkleidung. Jeder hielt ein Glas in der Hand. Der kleinere, ein adretter, pedantisch wirkender Bursche mit schütterem Haar und einem gestutzten schwarzen Bart, rauchte einen Stumpen. Der größere hatte die breiten Schultern und die aufrechte Haltung eines Soldaten. Sein schlohweißes Haar war zu einem groben Bürstenschnitt gestutzt; ein dichter, weißer Walroßschnauzbart zierte sein vierkantiges, kompromißloses Gesicht. Er blieb einen Schritt zurück, als der kleinere Mann sofort mit ausgestreckter Hand auf Doyle zuging.
    »Wir haben gerade etwas diskutiert - vielleicht können Sie den Streit für uns entscheiden, Doktor«, sagte der Kleine gesellig. Er sprach einen leichten, irgendwie amerikanisch klingenden Akzent und zeigte ein strahlendes, zahnlückenhaftes Grinsen. »Mein Freund Drummond behauptet nämlich, man könne den Kopf eines Menschen - vorausgesetzt, man verfügt über die dazugehörige

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