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Sieben

Sieben

Titel: Sieben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Frost
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es an der polierten Tünche mangelt, die wir Europäer arroganterweise ›zivilisiert‹ nennen, eine direkte Beziehung zur natürlichen Welt aufrechterhalten haben. Demzufolge erfreuen sie sich eines ursprünglicheren Erlebens jenes Teils der Natur, der uns verborgen bleibt: der spirituellen Welt; besonders der Welt der
Deva
oder Urwesen, die die physische Welt, die wir für die Begrenzung der Existenz halten, schulen und bewohnen. Unsere Kollegen von der medizinischen Fakultät halten diese Völker für töricht, primitiv, abergläubisch und der Gnade irrationaler Fantasien und Schrecken ausgeliefert. Im Gegensatz zu ihnen bin ich nach Jahren der Forschung geneigt, sie für klug und wissend zu halten sie leben im Einklang mit der Welt, die sie umgibt, und zwar zu einem Grad, von dem wir nicht einmal geträumt haben.«
    Doyle nickte aufmerksam und warf einen Blick auf Chandras, der tief in ein einseitiges Gespräch mit Eileen versunken war. Sie schien mit ihrer Suppe ebenso beschäftigt zu sein wie er mit der seinen.
    »Was mich betrifft«, sagte der Bischof zwischen lauten Schlürfern, »so war ich von ihrer Existenz lange Zeit nicht überzeugt. Wie man sich vorstellen kann ... die Schule, die Kirche, und dann war ich schon Vikar ...«
    »Von wessen Existenz?« fragte Doyle. »Nun, der von Urwesen natürlich«, strahlte der Bischof. Es war ihm gelungen, Fleischbrühe über seine Brillengläser zu verspritzen. »Erst als ich Professor Vamberg kennenlernte, fiel es mir wie Schuppen von den Augen - wie die Blätter im Herbst!«
    »Man kennt sie in den einzelnen Kulturen unter verschiedenen Namen«, sagte der durch die vergnügte Einmischung des Bischofs deutlich irritierte Vamberg. »Sie sind doch irischer Abstammung, Doktor, nicht wahr?«
    Doyle nickte. Sein Teller war leer, und er fühlte sich verlockt, Vamberg, der gerade erst seinen Löffel befeuchtet hatte, zu bitten, ihm den seinen herüberzureichen.
    »In Irland nennt man sie Leprechauns - oder das kleine Volk. Hier in Britannien nennt man sie Brownies oder Elfen, und es gibt zahlreiche regionale Varianten: Knockers in Cornwall, Pixies in Schottland, Trows auf den Shetlands und Orcadia. Die Deutschen nennen sie Kobolde ...«
    »Die Mythologie ist mir vertraut«, sagte Doyle, verärgert über die herablassende Pedanterie des Mannes.
    »Ah, aber es geht dabei um mehr als bloße Mythologie, Doktor«, sagte Vamberg. Er schwenkte voller Nachdruck seinen Löffel.
    Der nächste Gang wurde serviert. Gott sei Dank, dachte Doyle. Es reicht ihnen nicht, einen auszuhungern, sie müssen einen gleichzeitig auch noch zu Tode langweilen.
    »Gebratenes Rebhuhn auf Kohlblatt«, gab der Bischof bekannt. Rebhuhn? Das muß ein Irrtum sein, dachte Doyle. Vor ihm lag ein einzelner Flügel, doch er hatte die Größe eines Truthahns. Das Kohlblatt bedeckte den gesamten Teller. Sie befanden sich im Norden Englands: Wo fand man mitten im Winter Erzeugnisse dieser Art? Einem geschenkten Gaul, dachte Doyle, schaut man nicht ins Maul. Er kostete ein Stück vom Flügel; das Fleisch war saftig und zart und schmeckte - zugegebenermaßen - besser als alles, was er je zuvor gegessen hatte.
    »Die Legendengestalten, die uns aus Märchen und Kindergeschichten wohl vertraut sind, sind in Wahrheit die unsichtbaren Architekten und Erbauer der natürlichen Welt«, fuhr Vamberg unbeirrt fort. Er schien an dem Rebhuhn ebenso desinteressiert wie zuvor an der Suppe. »Waldnymphen, Wassernymphen, Luftgeister ... Es gibt einen Grund, warum diese Traditionen in jeder Kultur weiterbestehen, auch in einer angeblich so weit entwickelten wie der unserigen ...«
    »Welcher Grund könnte das sein?« sagte Doyle, der nicht widerstehen konnte, den Flügel in die Hände zu nehmen und hineinzubeißen.
    »Weil sie wirklich existieren«, sagte Vamberg. »Ich habe sie gesehen. Mit ihnen gesprochen, mit ihnen getanzt.« Sicherlich nicht in letzter Zeit, dachte Doyle. »Wirklich?«
    »Es sind scheue Geschöpfe; äußerst zurückhaltend, aber wenn man erst einmal Kontakt zu ihnen hat - und dazu war ich dank der anfänglichen Hilfe eines karibischen Stammes in der Lage -, erfährt man schnell, wie sehr sie an einer Zusammenarbeit mit uns interessiert sind.«
    »Schrecklich interessant«, sagte Doyle und verspeiste den Rest des Flügels.
    »Nicht wahr?« flötete der Bischof. Die Fettflecken um seinen Mund und sein Kinn glänzten wie Talmi.
    »Und wie genau wollen sie zusammenarbeiten?« fragte Doyle.
    »Nun ja«, sagte

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