Sieben
Vamberg, »indem sie das tun, was sie am besten können: Dinge wachsen zu lassen.«
»Dinge wachsen zu lassen.«
Vamberg spießte das gewaltige Salatblatt auf, das auf seinem Teller lag. »Was würden Sie sagen, wenn ich Ihnen erzählen würde, daß der Kohlsamen, der dieses Blatt hat wachsen lassen, vor drei Wochen in trockenen Sand gepflanzt wurde, dem man alles Wasser und alle Nährstoffe entzogen hat, und daß es heute morgen geerntet wurde?«
»Ich würde sagen, Professor Vamberg«, sagte Doyle, »Sie haben zu viel Zeit damit verbracht, um Fliegenpilze herumzutanzen.«
Vamberg lächelte trocken und hob den Flügel von seinem Teller. »Und wenn ich Ihnen erzählen würde, daß dieser Vogel erst zwei Wochen alt war, als er heute morgen geschlachtet wurde?« Die Bediensteten räumten ab und servierten den nächsten Gang. Zwei Mann rollten einen silberbehaubten Servierwagen herein.
»Dann haben die Urwesen, wie Sie sie nennen, also nichts anderes zu tun, als Ihnen zu helfen, Rebhühner von Adlergröße zu züchten?« fragte Doyle.
»Forelle mit Zitrone!« sagte der Bischof.
Die Hauben wurde abgehoben und enthüllten einen einzelnen Fisch am Stück, der auf einer Garnierung aus Zitronen und Petersilie lag. Färbung und Hautmusterung zeigten, daß es sich um eine braune Forelle handelte, doch das Ding war so groß wie ein Stör. Das Personal zerlegte und servierte ihn. Doyle fing Eileens Blick auf. Sie schien lediglich verwundert, während sich in ihm ein gründliches Unbehagen rührte.
Vamberg grinste wie die Katze aus »Alice im Wunderland«. »Ach, Sie Kleingläubiger!«
Vor Doyle wurde ein Teller mit Forelle abgestellt. So lecker es aussah und roch - er verlor allmählich den Appetit. Der Gedanke an das geheimnisvoll denaturierte Fleisch verursachte ihm Übelkeit. Als er sich umschaute, bemerkte er, daß auch Alexander Sparks sich mit dem Essen zurückhielt und statt dessen unverwandt Eileen anstarrte. Am anderen Ende verschlang Seine Hoheit, der Herzog von Clarence - die Serviette wie ein Schlabberlätzchen in den Kragen geschoben -, seinen Fisch mit gierigen, gefräßigen Happen und spülte ihn mit nachlässigen Schlucken Wein hinunter. Dabei gab er, seiner Umgebung völlig entrückt, ein pausenloses Geleier infantiler Zufriedenheit von sich.
»Lecker!« ließ der Bischof sich vernehmen. Neben ihm stand ein hübscher, blonder Meßdiener. Der Bischof flüsterte ihm etwas ins Ohr, wobei seine feisten Finger besitzergreifend durch die Locken des Knaben fuhren.
»Ein weiterer Nutzen, an den niemand gedacht hatte«, sagte Vamberg, »ergab sich aus dieser Begegnung - sie fand übrigens auf Haiti statt -, als die Priester mich mit einem Elixier aus verschiedenen Kräutern, Wurzeln und organischen Extrakten bekannt machten, von dem sie sagten, die Urwesen hätten es ihnen enthüllt. Die haitianischen Priester wenden dieses Elixier klugerweise schon seit Jahrhunderten an: Sie haben entdeckt, daß es, wenn es in der richtigen Dosierung verabreicht wird, in Verbindung mit bestimmten medizinischen Praktiken jedem Menschen den eigenen Willen nimmt.«
»Wie bitte?« fragte Doyle.
»Sie verlieren ihren Willen. Es macht sie unterwürfig und gefügig. Obwohl sie ganz normal aussehen, stehen sie vollständig unter dem Befehl der Priester, die sie dann als Feldarbeiter oder Haushaltshilfen beschäftigen. Selbst die störrischsten Subjekte werden gehorsam. Vertrauenswürdig. Und benehmen sich ordentlich.«
Sklaven. So stumm und blind wie Marionetten servierten die Bediensteten einen neuen Fleischgang. Doyle bemühte sich, nicht daran zu denken, von welchem abscheulich manipulierten Tier diese fetten Bissen stammen mochten.
»So hat man auf Haiti das Personalproblem gelöst«, mischte sich der Bischof mit einem leutseligen Zwinkern ein. »Wie schön, wenn man vor der Dienerschaft so offen reden kann.«
Vamberg bedachte den Bischof mit einem giftigen Blick, dann fuhr er fort: »Die Priester sind eine geschlossene Bruderschaft. Sie beschützen ihr Wissen mit ihrem Leben. Ich war einer der wenigen Außenseiter - der einzige Europäer -, der je Zutritt zu diesem Schatz erhalten hat. Und ich habe die Wirkung mit einem simplen chirurgischen Verfahren sogar weiterentwickelt - in Verbindung mit dem Elixier.«
Kein Wunder, daß Bodger Nuggins das Weite gesucht hat, dachte Doyle. Lieber mit dem Gesicht nach unten in der Themse treiben, als, wie diese bewegliche Leiche namens Lansdown Dilks, in irgendeinem Keller wie ein
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