Sieben
vorhandenen Schmiermittel. Seine Hoheit blinzelte in einem fort und bewegte stumm die Lippen wie ein kaputtes Spielzeug.
»An heißen Nachmittagen«, sagte er plötzlich schüchtern, »bin ich ganz vernarrt in Eiskrem mit Erdbeeren.«
Der Irrsinn seines Gestammels brachte sogar Eileen zum Schweigen. Eine einsame Träne entwich dem trüben, hellblauen Auge des Prinzen und versickerte in seinem strähnigen Bärtchen.
»Ich will«, sagte der Prinz mit einer quengeligen Stimme, die in der königlichen Kinderstube bestens bekannt sein mußte, »doch nur ein bißchen Ruhe und Frieden und etwas Spaß.«
Nun kam Bewegung in den silberhaarigen Mann zu seiner Rechten; er nahm Hoheit an den Arm. »Und das werdet Ihr auch bekommen. Eure Hoheit sind von den Terminen dieses Tages ordentlich gebeutelt worden«, sagte er und schob den Herzog wieder auf seinen Stuhl zurück, »und müssen nun dringend etwas zu sich nehmen, um Euren Geist wieder aufzufüllen.«
»Mehr Wein«, sagte der Prinz, den Blick nach unten gerichtet und mürrisch in sich selbst versinkend.
»Mehr Wein!« bellte der Bischof. »Danke, Sir Nigel. Das Wohlergehen Seiner Hoheit ist natürlich das, was uns allen am Herzen liegt.«
»Das möchte ich auch meinen«, sagte Sir Nigel Gull, der Mann mit dem Silberhaar und ehemalige Leibarzt des Prinzen. Als er wieder Platz nahm, warf er Eileen einen vernichtenden Blick zu. Ein Frauenhasser, dachte Doyle sofort, und er erinnerte sich, daß die üppigen Gerüchte über die Ausschweifungen des Prinzen sich nicht ausschließlich auf das schöne Geschlecht bezogen.
»Bitte, nehmen Sie doch Platz«, sagte der Bischof, der allmählich wieder in Form kam. »Miß Temple, wären Sie bitte so freundlich? Unser Gastgeber bittet Sie an seine Seite.«
Der Bischof zog einen Stuhl zurück, und Eileen nahm rechts von Chandros und gegenüber von Alexander Sparks Platz. Der aufrechte Klotz von General Marcus McCauley Drummond stand links von Sparks.
»Und Ihr Platz ist hier, Dr. Doyle.« Pillphrock deutete auf den Stuhl zwei Plätze rechts von Eileen. »Seien Sie alle willkommen. Willkommen. Willkommen.«
Pillphrock läutete mit der Servierglocke und ließ seine Leibesfülle zwischen Eileen und Doyle nieder, der seinen Platz genau gegenüber der zweiten Frau am Tisch einnahm, einer dunkelhaarigen, stattlichen Dame, in der er Lady Caroline Nicholson erkannte. Schwarzes Haar, behaubt, ein kräftiges Gesicht. Ihre Züge wirkten raubvogelhaft und unversöhnlich, doch sinnlicher, als das Foto es wiederzugeben verstanden hatte. Ihre schwarzen Augen glitzerten in animalischer Hitze. Sie lächelte geheimnisvoll.
Der Mann, der direkt rechts von Doyle saß, hatte Schwierigkeiten, seinen Platz einzunehmen; er krümmte sich vor Schmerzen. Sein rechtes Bein war ausgestreckt und steif wie ein Brett, sein Hosenbein wurde durch die Ausbuchtung eines Verbandes rund um sein Knie aufgebläht. Schmächtig, glattrasiert, blaß und pockennarbig. Selbst ungeschminkt und mit der Brille, die er nun trug, erkannte Doyle in ihm den finsteren Mann von der Seance - den Mann, dem er ins Bein geschossen hatte. Professor Arminius Vamberg.
Sie waren alle da, alle Sieben, zusammen mit dem Enkel von Königin Victoria als Dreingabe. Doyle blickte auf und schaute in die eigensinnigen, hypnotischen Augen von Alexander Sparks. Sein komplizenhaftes Lächeln ging ihm auf die Nerven. Als ob er ungehindert in das private Bewußtsein eines jeden, den er ansah, eindringen könnte. Da Doyle keinen Sinn darin sah, ihn offen zu provozieren, wandte er seinen Blick ab.
Eine Schwadron von Bediensteten, die ausnahmslos den gleichen stumpfen Blick und den leeren, jedoch aufmerksamen Gesichtsausdruck zur Schau stellten, trug die Suppe auf, die sich, wie der heißhungrige Doyle feststellte, als dünne, klare Consomme entpuppte.
»Ich habe die Entdeckung in den Jahren gemacht, die ich in der Karibik verbrachte«, sagte Professor Vamberg, ohne darum gebeten worden zu sein, mit dem barsch akzentuierten Rasseln, das Doyle lebhaft an den Abend in der Cheshire Street 13 erinnerte.
»Wie meinen?« fragte Doyle.
»Haben Sie schon einmal einige Zeit unter primitiven Kulturen verbracht, Doktor?«
»Wenn man die französische außer acht läßt, nicht«, sagte Doyle. Er bemühte sich, seinen Hunger zu bezähmen, indem er sein Glas nahm und einen Schluck trank.
Vamberg lächelte freundlich. »Der bemerkenswerteste Unterschied, finde ich, ist der, daß die unterentwickelten Völker, denen
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