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Sieben

Sieben

Titel: Sieben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Frost
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und verriet mit keiner Empfindung, wie er zu den Enthüllungen stand, die ihm zu Ohren kamen. Bevor er etwas sagte, verging eine ganze Weile. Doyle war daran gewöhnt, daß sein Freund auf alles mit epischem Schweigen reagierte: Man konnte fast hören, wie es hinter seiner Stirn klickte - als bedienten langsame Hände einen Abakus.
    »Du sagst, der Angriff auf diese Lady Nicholson sei mit einem Messer erfolgt?«
    »Ja. Ein scheußlich aussehendes Ding.«
    Leboux nickte, dann sagte er, wobei irgendeine neue Zweckempfindung in seinem Blick auftauchte: »Dann solltest du lieber mal mitkommen.«
    Sie gingen drei Häuserblocks weiter, zu dem leerstehenden Grundstück an der Ecke Commercial und Aldgate. Die Polizei hatte das Gelände abgesperrt. Bobbys standen an den Ecken und dirigierten die Fußgänger. Leboux geleitete Doyle durch den Kordon zur Mitte des Grundstückes, wo in der vergangenen Nacht, als Doyle gerade in seine Wohnung zurückgekehrt war, das kurze, elende Leben einer unter dem Namen Fairy Fay bekannten Straßenhure ein brutales und böswilliges Ende gefunden hatte.
    Die grobe Leinwand, die ihr als Leichentuch diente, wurde hochgehoben. Sie war unbekleidet. Die Leiche war ausgeweidet, ihre Organe entfernt worden. Einige fehlten, der Rest lag ordentlich aufgestapelt neben der Toten, in einer Anordnung, deren Bedeutung unmöglich zu erahnen war. Die Arbeit war schnell und präzise - und wie Doyle aufgrund der Abwesenheit von Rissen an den Eintrittsstellen und Wundrändern vermutete, mit äußerst feingeschliffenen Instrumenten - bewerkstelligt worden.
    Doyle nickte. Das Tuch fiel schwer auf die Leiche zurück. Leboux ging ein paar Schritte weiter. Doyle folgte ihm. Und wieder brach eine typisch Lebouxsche Stille aus.
    »Könnte sie Lady Nicholson sein, Arthur?« fragte er schließlich.
    »Nein.«
    »War diese Frau gestern abend auf der Seance?«
    »Nein. Ich habe sie noch nie zuvor gesehen.«
    Doyle wurde mit Entsetzen klar, daß Leboux in seiner Geschichte nach irgendeiner Schwachstelle suchte. Nun ja, dachte er, in erster Linie ist er nun einmal Polizist, und die Stimmung unter den Beamten war grimmig und angespannt. Nur wenige von ihnen hatten, falls überhaupt, das Ergebnis einer solch barbarischen und bewußt ausgeführten Tat je mit eigenen Augen gesehen, und ganz sicher war dies kein Routinefall für die Londoner Polizei. »Hat niemand etwas gesehen?« fragte Doyle. Leboux schüttelte den Kopf. »Das Messer, das du beschrieben hast - hätte man sie mit dieser Waffe so schrecklich zurichten können?«
    »Ja. Sehr wahrscheinlich.«
    Leboux blinzelte kurzsichtig. »Könntest du die Angreifer beschreiben?«
    »Sie trugen Kapuzen«, sagte Doyle, der bewußt verschwieg, daß die beiden Mörder längst zur Strecke gebracht worden waren. Angesichts ihrer scheußlich zusammengenähten Gesichter und der Tatsache, daß aus ihren tödlichen Wunden kein Blut geflossen war, hatte er nicht das Gefühl, Leboux Fragen stellen zu können, die da lauteten: Wie bringt man etwas um, das bereits tot ist?
    Leboux spürte, daß Doyle entscheidende Details seiner Geschichte zurückhielt, doch war ihm auch ihre Freundschaft wichtig. Und so genügte ihm vorläufig das Wissen darum, daß Doyle ein wirklich gräßliches Erlebnis gehabt hatte, um ihm zu erlauben, sich nun von ihm zu trennen. Als er Doyle nachsah, fühlte Leboux sich von der Flut der noch ungeklärten Fragen entmutigt. Aber immerhin, wie er stets zu sagen pflegte, wenn man ihn mit komplizierten Aufgaben konfrontierte, hatte er genügen Zeit.
    Doch schon beim ersten Blick auf den abscheulich zugerichteten Leib hatte sich Leboux ein Gedanke aufgedrängt, der ihn noch immer beschäftigte: Dies hat ein Arzt getan.

Cambridge
    DIE ERSTE GRUNDVORAUSSETZUNG eines sorgfältigen mentalen Manövers bestand in einem vollen Magen. Doyle hatte, seit seine schwere Prüfung in der vergangenen Nacht begonnen hatte, nichts mehr gegessen. Er betrat die erste überfüllte Taverne, auf die er stieß, setzte sich an den Kamin und bestellte ein ausgiebiges Frühstück - dankbar, daß das wenige Geld, das er in seiner Wohnung zurückgelassen hatte, der gelatinösen Zerstörung nicht zum Opfer gefallen war.
    Danach schob er den Teller zurück, steckte sich eine Pfeife an, legte die Beine hoch und genoß das Eintreten des entspannten, doch erhöhten Bewußtseinszustandes, in dem sein Geist mit maximaler Kraft funktionierte.
    Wenn - Sacker hatte es angedeutet - hinter den Ereignissen eine

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