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Sieben

Sieben

Titel: Sieben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Frost
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gesehen hatte, war Helena Petrovna Blavatsky!
    Die Droschke fuhr vor. Doyle rannte ins Haus.
    »Mrs. Petrovitch!«
    Als er an seiner Wohnungstür vorbeilief, zeigte ihm ein kurzer Blick ins Innere, daß sich seit der vergangenen Nacht nichts verändert hatte. Er nahm jeweils drei Stufen auf einmal, und als er Mrs. Petrovitchs Etage erreicht hatte, klopfte er heftig an ihre Tür.
    »Ich bin's, Mrs. Petrovitch - Doyle!«
    Er warf sich ein-, zweimal mit der Schulter gegen die Tür, trat zurück, nahm Anlauf und drückte sie ein.
    Die Petrovitch lag mitten im Zimmer - auf dem Boden. Regungslos. Dicker Rauch war überall, doch der Raum selbst war noch nicht in Flammen aufgegangen. Die schweren Vorhänge schmorten vor sich hin, die Spitzengardinen hatten sich bereits entzündet.
    Doyle riß die Vorhänge herunter und drosch wie wild auf die Flammen ein, um an die gestürzte Frau heranzukommen. Als er sie berührte, erkannte er auf der Stelle, daß sie tot war. Er verdoppelte seine Anstrengungen an den Gardinen, und einen ängstlichen Augenblick später war das Feuer erstickt. Er drückte die Augen der Toten zu und setzte sich hin, um den Versuch zu machen, den Ablauf der Ereignisse zu rekonstruieren.
    Der Dackel der Petrovitch kam unter dem Sofa hervor und rieb seine Schnauze am Ohr seines Frauchens.
    Doyle musterte den Raum. Auf dem Tisch stand eine offene Weinkaraffe. Der Stöpsel lag daneben und neben ihm eine geöffnete Blechdose mit Digitalistabletten und ein paar Tropfen Kerzenwachs. Auf dem Boden neben der Toten lag ein kleines Kristallkelchglas; aus ihm floß eine scharlachrote Flüssigkeit, die langsam im Teppich versickerte. Der Tisch, von dem die Kerze gefallen war, stand zwischen ihr und dem Fenster. Das Fenster war offen.
    Sie hatte eine Kerze angezündet. Hatte Schmerzen in der Brust verspürt; sie hatte Herzprobleme gehabt, soviel wußte er. Sie hatte sich ein Glas Wein eingeschenkt und die Pillendose geöffnet. Der Schmerz war stärker geworden, alarmierend stärker. Sie hatte sich beengt gefühlt und das Fenster geöffnet, um Luft hereinzulassen, und dabei war ihr die Kerze aus der Hand gefallen. Als die Vorhänge Feuer gefangen hatten, war sie in Panik verfallen. Ihr Herz hatte aufgehört zu schlagen. Sie war gestürzt. Zwei Einwände. Erstens befand sich auf dem Tisch ein frischer Wasserfleck. Das Weinglas war abgestellt worden es hätte zusammen mit dem Kerzenhalter zum Fenster hin fallen müssen. Zweitens lagen mehrere Tabletten neben der Toten auf dem Boden. Der kleine Köter war gerade im Begriff, eine davon vom Läufer weg aufzufressen. Vielleicht hatte sie die Dose fallen gelassen und war gerade im Begriff gewesen, die Tabletten aufzulesen, als ... Nein, in ihrer Hand befanden sich keine.
    Er untersuchte die Dose. In ihr befanden sich Fusseln und die Kügelchen selbst. Also hatte sie die Tabletten verschüttet und aufgelesen ...
    Doyle vernahm ein Winseln und ein Husten, und als er sich umdrehte, sah er gerade noch, daß der Hund der Petrovitch zuckend nach vorn fiel und still liegenblieb. Tot. Irgendwie ist er nun besser dran, dachte Doyle. Er war kein Hund, den jeder mochte. Schaumbläschen traten aus einem Winkel seines Mauls. Vergiftet.
    Also hatte jemand die Petrovitch vergiftet. Vielleicht nicht einmal heimlich. Doyle hob die Tote ein Stück an. Auch unter ihr lagen Tabletten. Auf ihren Wangen sah er bläuliche Schrammen. Sie hatte sich gewehrt, die Dose weggeworfen, die Pillen verstreut. Der Mörder hatte sie gezwungen, das Gift zu nehmen, dann hatte er rasch versucht, die Tabletten wieder in die Dose zurückzulegen und war durchs offene Fenster geflüchtet. Ja, auf der Fensterbank war eine Schleifspur. Der Kerzenhalter war während des Kampfes umgefallen, vielleicht aber auch bewußt vom Mörder umgestoßen worden, um die Untat zu verschleiern. Die Leiche war noch nicht erkaltet. Der Mörder mußte den Raum innerhalb der letzten zehn Minuten verlassen haben.
    Schon wieder lag eine Tote auf seiner überfüllten Schwelle. Arme Petrovitch. Es war unmöglich, sich vorzustellen, daß die Frau selbst dazu beigetragen hatte, Opfer eines Mordes zu werden.
    Als Doyle die Dose schloß und in seine Reisetasche legte, achtete er sorgfältig darauf, die Pillen nicht zu berühren.
    Erst als er an der Tür stand, fiel ihm etwas Weißes auf, das unter dem kleinen Wandspiegel hervorlugte.
    Er nahm den Zettel an sich und las:
    DOKTOR DOYLE
    wir dringend sprechen müssen. Ich weg nach Cambridge. Petrovitch

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