Sieben
Marine zu Scotland Yard gebracht und kurz darauf in seine gegenwärtige Position als Inspektor.
Eine hübsche kleine Irin, die Doyle noch nie zuvor gesehen hatte, öffnete die Tür.
»Is was?«
»Scotland Yard, Miß. Wir würden uns gern mal umsehen.«
»Wasʹn los?«
Der vor ihr aufragende Leboux beugte sich vor und sagte: »Unannehmlichkeiten, Miß.«
»Ich wohn nämlich nich hier, ich besuch nur meine Mama«, sagte die junge Frau und machte den Weg frei, als die beiden eintraten. »Sie is oben, liecht im Bett, is krank, is seit Wochen nich aufgestanden. Hat doch nix mit ihr zu tun, oder?«
»Wohnt Ihre Mutter hier zur Miete?«
»Ja ...«
»Und wer wohnt im Parterre?« fragte Leboux und blieb an der Tür zu seiner Rechten stehen, die der merkwürdige Junge am Abend zuvor für Doyle geöffnet hatte.
»Weiß nich. Ich glaub, ʹn Ausländer. Is nich oft da. Ich auch nich, um die Wahrheit zu sagen. Erst seit Mama krank is.« Doyle nickte Leboux zu. Die Beschreibung »Ausländer« paßte auf den Finsteren, und er hatte ihn Leboux gegenüber erwähnt. Leboux klopfte an die Tür.
»Wissen Sie, wie der Mann heißt, Miß?« fragte er.
»Nee, Sir, weiß ich nich.«
»Waren Sie denn letzte Nacht hier?«
»Nee, Sir. War zu Hause. In Cheapside unten.«
Doyle bemerkte, daß die sonderbare Glasschale vom Tisch verschwunden war. Die Reste des verschütteten Wachses waren ein Hinweis darauf, daß jemand die Kerze eilig fortgebracht hatte. Leboux öffnete die Tür, sie traten ins Wohnzimmer ein.
»War es hier, Arthur?«
»Ja«, erwiderte Doyle. »Hier hat die Seance stattgefunden.« Doyle öffnete die Schiebetür und erstarrte. Der dahinter liegende Raum sah völlig anders aus als der, in dem er die schrecklichen Minuten verbracht hatte. Er war vollgestopft mit verstaubten, geschmacklosen Möbeln. Nirgendwo ein runder Tisch oder hängende Gobelins. Sogar die Decke kam ihm heute niedriger vor.
»Hier stimmt etwas nicht«, sagte Doyle, als er weiter in den Raum hineinging.
»Is dem Kerl was passiert, der hier wohnt?«
»Gehen Sie jetzt nach oben und sehen Sie nach Ihrer Mutter«, sagte Leboux. »Wir rufen Sie, wenn wir Sie brauchen.« Er schloß die Tür vor der Nase der jungen Frau.
»Sie haben die Möbel ausgetauscht. Der Raum war fast leer.«
»Wo ist die Tat geschehen, Arthur?«
Doyle trat an die Stelle, an der sich der Tisch befunden hatte. Dort, wo Lady Nicholson zu Boden gefallen war, stand nun ein pralles Plaudersofa.
»Hier«, sagte er und ging in die Knie. »Hier lag aber keine Brücke. Der Boden war nackt.«
Als Doyle die Brücke beiseite schob, bemerkte er, daß die Abdrücke des Sofas auf dem Boden tief und staubverkrustet waren. Leboux half ihm, das Möbel auf die Seite zu ziehen, dann rollten sie den Teppich zurück. Die darunter liegenden Holzdielen waren fleckenlos und glänzten verschlissen.
»Sie sind gereinigt worden, siehst du?« sagte Doyle leicht erregt. »Der ganze Raum, jeder Quadratzentimeter. Sie haben alle Spuren beseitigt.«
Leboux stand aufgerichtet, gleichmütig und unverbindlich neben ihm. Doyle bückte sich, um den Boden noch eingehender in Augenschein zu nehmen. Er zog einen Pfeifenreiniger aus der Tasche und kratzte in der Fuge zwischen zwei Dielenbrettern herum. Seine Bemühungen erbrachten eine kleine Portion getrocknetes, dunkles Material. Er streifte die Brösel in einen Umschlag, den er Leboux gab.
»Ich nehme an, ihr werdet herausfinden, daß diese Substanz menschliches Blut ist. Lady Caroline Nicholson und ihr Bruder sind gestern abend in diesem Raum ermordet worden. Ich empfehle, daß unverzüglich Anstrengungen unternommen werden, um ihre Familie zu benachrichtigen.«
Leboux steckte den Umschlag ein, zückte eine Schreibunterlage und Papier und schrieb pflichtgemäß die Namen nieder. Dann nahmen sie eine eingehendere Untersuchung des Raumes vor.
Doch nichts von dem, was sie entdeckten, brachte ihnen irgendwelche brauchbaren Erkenntnisse über die begangenen Verbrechen oder die Identität des Besitzers oder Mieters. Das Abschreiten des Korridorlabyrinths, das Doyle und Sacker auf die Gasse geführt hatte, erwies sich als ebenso fruchtlos.
Als sie in der Gasse standen und einen Blick auf das Haus zurückwarfen, skizzierte Doyle die Einzelheiten der mörderischen Verabredung. Freilich erwähnte er auch diesmal weder Sacker noch den Einsatz der Pistole, die Leboux ihm Monate zuvor geschenkt hatte. Leboux verschränkte die Arme vor der Brust, stand stocksteif da
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