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Sieben

Sieben

Titel: Sieben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Frost
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Ihnen sagen, wo mich treffen. Niemand vertrauen. Nichts ist so, wie scheint.
    HPB
    Das Datum von heute. Die Blavatsky war in Cambridge. Der Mörder hatte die Petrovitch zum Schweigen gebracht, aber die Notiz übersehen. Doyle überließ die Tote dem Himmel; er hatte nun keinen Zweifel mehr über sein persönliches Ziel.
    Doyle bemerkte niemanden, der ihm zum Bahnhof folgte. Auch als er den Fahrschein löste und den Zug betrat, fiel ihm niemand auf, der ihn beobachtete. Nachdem er sich auf einem Ecksitz niedergelassen hatte, der ihn in die Lage versetzte, die Tür ungehindert im Auge zu behalten, kam niemand in den Waggon, der auch nur beiläufig von ihm Notiz nahm.
    Als der Zug schließlich losfuhr, fiel Doyles Blick auf einen Stapel herrenloser Sensationsblätter, in denen er erfolglos nach einer Erwähnung des Verschwindens von Lady Nicholson suchte. Die Rauchwolke der Lokomotive vermischte sich konturenlos mit der morgendlichen Ruß- und Rauchdecke über der Stadt. Während Doyle das an seinem Fenster vorbeiziehende alltägliche Leben beobachtete, wurde sein Neid auf die simple Ereignislosigkeit der normalen Existenz zu nervöser Erregung. So gefahrenbeladen er auch war, er befand sich auf einer Mission, und Missionen setzten Absichten voraus, den Magneten seines inneren Kompasses. Trotz seiner Erschöpfung waren seine Sinne in Hochform: die süße Schärfe des Sandwiches, das er für die Reise erstanden hatte, der angenehm warme Schaum des Flaschenbiers, das reife Aroma von maurischem Pfeifentabak in der Luft.
    Eine beleibte Inderin nahm Doyle gegenüber Platz. Ihr gebräuntes Gesicht war hinter einem Schleier verborgen, der nur ihre mandelförmigen Augen und einen Klecks dekorativen Scharlachrots mitten auf der Stirn freiließ. Eine symbolische Darstellung des mythischen dritten Auges, erinnerte sich Doyle, der sich nur oberflächlich mit dem Hinduismus beschäftigt hatte. Das Fenster zur Seele, das Sichentfalten des tausendblättrigen Lotus. Er ertappte sich dabei, daß er sie anstarrte, doch dann brachte ihn das Rascheln, als sie die Päckchen, die sie trug, neu verteilte, wieder zu sich. Er zog den Hut und lächelte zuvorkommend. Die Reaktion der Frau war unergründlich. Eine hohe Kaste, dachte er, wie man an ihren Kleidern und ihrem Betragen ersieht. Er fragte sich müßig, warum sie nicht in der Ersten Klasse fuhr und von ihrer Familie oder Anstandsdame begleitet wurde.
    Das rhythmische Klappern und Rollen der Gleise begünstigten seine nach dem Essen eintretende Schläfrigkeit, und als der Zug die Gegend von London hinter sich ließ, nickte er allmählich ein. Hin und wieder erwachte er aus seinem Schlummer, manchmal für längere Zeit, und erinnerte sich vage daran, seine fremdländische Reisegefährtin über ein kleines Buch gebeugt gesehen zu haben, wobei sie mit einem Finger den Zeilen nachfuhr. Schließlich übermannte ihn ein tiefer Schlaf. Seine Träume waren heiß und schnell, ein fantasmagorisches Amalgam aus Flucht, Verfolgung, finsteren Gesichtern und weißem Licht.
    Als der Waggon urplötzlich ruckend anhielt, war Doyle hellwach und nahm einen Tumult wahr. Zusammen mit dem Rest der Waggoninsassen schaute die Inderin links von ihm aus dem Fenster.
    Sie befanden sich in bäuerlichen Regionen. Neben den Gleisen verlief ein unbefestigter Weg, der weiträumiges, braches Land teilte, auf dem man Winterweizen gepflanzt hatte. Ein großer Heuwagen, von zwei riesigen Gäulen gezogen, war neben dem Weg in den Graben gestürzt. Eins der Pferde, ein riesiger Brauner, war noch angeschirrt, bockte wild und trat in die Luft. Der andere, ein grauer Schecke, lag zuckend und panisch wiehernd auf dem Rücken in einer Rinne, tödlich verletzt. Ein junger Bursche - der Fahrer des Wagens - wollte sich dem verwundeten Tier nähern, wurde jedoch von zwei erwachsenen Knechten zurückgehalten. Als Doyle einen Blick über den Weg warf, erblickte er das, was höchstwahrscheinlich die Ursache des Unfalls gewesen war.
    War es eine Vogelscheuche? Nein, auch wenn sie auf den ersten Blick die typischen Umrisse des Feldbeschützers aufwies. Das hier war größer, viel größer und maß an die drei Meter. Und es bestand auch nicht aus Stroh: Das Ding wies deutliche Proportionen auf. Vielleicht Weidenflechtwerk. Eine Gestalt war an etwas befestigt, das ein Kreuz zu sein schien ... Waren das Nägel - Schienennägel -, mit denen ihre Arme an das Holz geschlagen worden waren? Ja, tatsächlich. Die Gestalt an dem Kruzifix ragte weit

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