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Sieben auf einen Streich

Sieben auf einen Streich

Titel: Sieben auf einen Streich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amei Müller
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unter vielem
anderen die Worte: Wollt ihr meine kleine Familie vollends zugrunde richten?
Was seid ihr bloß für Menschen!
    Ich erkannte das dringende Bedürfnis
meines Sohnes Mathias, von seinen eigenen Heldentaten zu berichten, und beeilte
mich, das Stichwort zu geben.
    »Erzähl mal, wie war’s denn im Wald?«
    Nun öffneten sich die Schleusen. Die ganze
Geschichte brach aufs neue aus Mathias heraus. Die Unvernunft und Angst des
Kleinen, die ruhige Überlegung der Älteren. Die einsame Wacht in kalter
bedrohlicher Finsternis, der Schrei des Tieres...
    Mathias ahmte ihn nach und legte dabei
die Vermutung nahe, es habe sich eine Elefantenkuh in den Harz verirrt.
    Andreas lächelte beschämt, aber Mathias
fuhr fort, die Schrecknisse der Nacht zu schildern, zauberte aus seiner
Phantasie eine dunkle Gestalt am Waldessaum hinzu, berichtete, wie er, Mathias,
drohend seinen Stock erhoben und auf sie zugegangen, worauf sie schleunigst die
Flucht ergriffen und im Wald verschwunden, und daß dies alles geschehen,
derweil der Wubbel sanft und selig im Schutz der Hütte und seiner Wächter
geschlafen.
    Die Familie lauschte ergriffen. Und als
die Erzählung beendet war, wandte sich denn auch die allgemeine Begeisterung
den beiden Helden zu.
    Ich saß dabei und hielt die Hand vor
den Mund, um schamhaft das stolzselige Lächeln zu verbergen, das meine Züge
verklärte. In Manfreds Gesicht allerdings suchte ich vergeblich nach Zeichen
väterlicher Rührung. Er stocherte mißmutig in den kalten Pommes frites herum
und hob die Augen nicht vom Teller. Eben wurde Mathias ermuntert, den
schrecklichen Schrei des Tieres noch einmal zum besten zu geben, da donnerte
sein Vater die Faust auf den Tisch, daß die Teller tanzten.
    »Schluß jetzt! Ins Bett mit euch! Es
ist höchste Zeit!«
    Mathias verstummte mitten im Urschrei
und klappte den Mund zu.
    Henriette erwachte aus finsterem
Grübeln und äußerte laut und deutlich, sie habe bisher gar nicht gewußt, wie
schrecklich autoritär der Onkel Manfred sei, und sie würde es sich nicht
gefallen lassen, wenn man sie so behandle, aber mit diesen Kindern könne man ja
alles machen.
    Andreas und Mathias jedoch ließen sich
nicht aufhetzen. Sie kannten ihren Vater und wußten mit ihm umzugehen.
Ablenkung hieß die Taktik, die Andreas gerne anwandte, eine unblutige und
ziemlich sichere Art, das »Ins-Bett-Müssen« hinauszuzögern.
    »Der Typ«, flüsterte er, »der Mann, der
heut morge so sauer war, weil der Wubbel ihn aufgweckt hat, der guckt dauernd
zu uns rüber. Aber sei Frau isch nimmer da.«
    »Wenn ihr euch schon alle umdrehen
müßt«, Michael betrachtete seine Familie mit gerunzelter Stirn, »dann tut’s
wenigstens etwas dezenter, sonst merkt er noch, daß wir von ihm reden.«
    Er hatte es leider schon bemerkt,
lachte erst verhalten, dann über das ganze Gesicht, erhob sich und kam zu uns
herüber.
    »Guten Abend die Herrschaften. Was war
das für ein Schrei? Etwa ein Tiger?«
    Mathias senkte den Kopf auf seinen
Teller.
    »Nei, nei, i hab bloß Schpaß gmacht.«
    »Aber es könnte durchaus möglich sein.
Man hört so allerhand. Ab und zu sollen im Harz tatsächlich Tiger auftauchen.
Sie sind äußerst gefährlich!«
    Der Herr schoß einen Blick in Richtung
Fränzchen, und dieses durchtriebene kleine Geschöpf — ich bemerkte es mit
Befremden — blinkte zurück.
    »Oder das Ungeheuer von Loch Ness hat
einen Maiausflug hierher gemacht.«
    Er lachte so laut, wie er am Morgen des
gleichen Tages geschimpft hatte, und ließ seine Augen nun ganz unverhohlen und
voller Bewunderung auf Fränzchen ruhen. Mathias dagegen schloß die seinen.
    »Mer wird ja no en Spaß mache dürfe«,
sagte er matt.
    »Aber ja doch! Natürlich! Humor ist
etwas Herrliches!« rief der Herr. »Ich bin sehr humorvoll, wenn es sein muß!«
    »Ja, wir durften es heute morgen
bemerken!« Beate sprach es mit so sanftem Lächeln, daß der Herr ihren Worten
Glauben schenkte. Er zog sich einen Stuhl heran, ließ sich rittlings darauf
nieder, legte das Kinn auf die Lehne und betrachtete Fränzchen. Sie sah an
diesem Abend besonders reizvoll aus, hatte den dicken Zopf als Krone auf den
Kopf gesteckt, trug eine rosa Bluse und war auch sonst rosig überhaucht.
    Michaels Augen folgten der
Blickrichtung des Herrn, und in seiner Brust regten sich widerstreitende
Gefühle. Einerseits war er dem Herrn gegenüber zu Freundlichkeit verpflichtet,
denn die Familie hatte ihm mannigfachen Ärger bereitet. Andererseits aber
sträubte

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