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Sieben auf einen Streich

Sieben auf einen Streich

Titel: Sieben auf einen Streich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amei Müller
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ihre
Sprudelflaschen herbei und nahmen Platz.
    »Wie wäre es mit einem kleinen
Mondscheinspaziergang?« fragte der Herr eindringlich flüsternd zu Fränzchen
hinüber.
    »O ja«, rief Mathias, »des wär toll!«
    »‘s scheint kei Mond«, erklärte
Andreas, welcher die belehrende Art des Vaters und die bedächtige des Onkels in
sich vereinte, »weil’s schneit. Und wenn’s schneit, no sin Wolke um den Mond
rum, und no kann er net scheine, des heißt, er scheint scho, aber...«
    »Es ist ja recht«, fuhr ihm Fränzchen
in die Rede, »du brauchst es nicht so genau zu erklären!«
    Aber da stieß sie bei Andreas auf wenig
Verständnis. Er pflegte nämlich angefangene Sätze ordentlich zu Ende zu bringen
und vor geneigten und ungeneigten Ohren auszubreiten. Also schluckte er nur
kurz und hob erneut seine Stimme: »Mir saget, er scheint, aber in Wirklichkeit
scheint er net selber, sondern die Sonne... Du musch es dir so vorschtelle...«
    Mit Hilfe von Gläsern und Bierdeckeln
versuchte er auf dem Tisch das Universum anzudeuten. Fränzchen drehte die Augen
gen Himmel und seufzte gequält. Der Herr legte väterlich den Arm um die
Schultern des Knaben.
    »Ich denke, es wird langsam Zeit für
dich und deinen Bruder. Das mit dem Mond ist natürlich sehr interessant, aber
ich weiß Bescheid...«
    »Ja, Sie vielleicht, aber Tante Fränzle
will’s au wisse.«
    »Nein, ich will nicht!« schrie diese
zornig. »Und sag nicht immer Tante zu mir, ich bin viel zu jung für eine
Tante!«
    »Aber du hasch doch gsagt, mir sollet
›Tante‹ zu dir sage! Du hasch gsagt, du könnsch unser Großmutter sei!«
    »Ja, da hab’ ich einen Spaß gemacht«,
knirschte sie, »ihr müßt nicht alles so wörtlich nehmen!«
    Andreas betrachtete die Tante mit
nachdenklichem Erstaunen. Sie war ihm immer so vernünftig erschienen, und nun
schrie sie herum ohne einleuchtende Gründe und verstrickte sich in Widersprüche.
Seltsam. Genau wie seine Mutter. Also sprach er im beschwichtigenden Tonfall
des Vaters: »Komm, mir gehet an d’ Luft, des wird dir gut do!«
    »Na endlich!« Mathias erhob sich eilig.
»Mir wolltet doch schpazieregehe! Du mit deim blöde Mond! Siehsch, jetzt kommt
au no d’ Jette, so ‘n Pech!«
    Lautlos war sie aufgetaucht, Henriette,
angetan mit irgendeines Großvaters vergilbtem Nachthemd, welches sie jüngst auf
dem Flohmarkt entdeckt und sogleich käuflich erworben, da sie es schon nach dem
ersten Blick ins Herz geschlossen und in seiner schmucklosen Einfalt, seiner
kargen Zweckdienlichkeit für ein besonders ansprechendes Kleidungsstück hielt.
Ihre Meinung wurde von keinem anderen Menschen geteilt, aber gerade diese
ablehnende Einstellung der Kleinbürger machte das Gewand für Henriette so
kostbar und liebenswert, daß sie es nur ungern und selten für Reinigungszwecke
aus den Händen gab, weshalb es bereits eine gelb-graue Patina erworben hatte.
Die Fülle des derben Stoffes gab nur Unwesentliches preis von Henriettes
sparsamen Reizen. So blitzten gelegentlich ihre Beine durch die Seitenschlitze,
ihre Hände jedoch hatten sich in den viel zu langen Ärmeln verloren, und das
Stehbündchen am Hals reichte bis hinauf zu den Stellen, wo hinter blondem
Haarvorhang verborgen, vermutlich Kinn und Ohren steckten. Anklagend hob das
Nachtgespenst die Ärmelstulpen und schob sie in Sichtweite der vier
Nachtschwärmer. Da lag der Kassettenrekorder, stumm und tot. Durch die blonde
Mähne drang ein Schmerzenshauch.
    »Mein Kassettenrekorder ist hin! Ich
kann nicht einschlafen ohne Musik!«
    Die vier am Tisch vernahmen diese
Mitteilung ohne sonderliche Gefühlsbewegung.
    »Kann ihn keiner reparieren?«
    »Gib en her!« sagte Mathias. »I kann’s
ja mal probiere!«
    »Ich bin doch nicht verrückt!«
Henriettes Stimme triefte vor Verachtung. »Wenn du was zum Spielen willst, dann
hol dir ‘nen Baukasten!«
    Das war nun freilich ein harter Schlag,
den Mathias für sein freundliches Anerbieten nicht hatte erwarten dürfen.
    Er versank denn auch in finsteres
Brüten und grub in den schwärzesten Schichten seiner Seele nach einem
bitterbösen Wort, einem Wort, das dieses unerleuchtete Geschöpf, diese Kusine,
mit der Gott ihn geschlagen, vernichten sollte, zermalmen, hinmachen!
    Henriette aber richtete ihr Augenmerk,
behindert zwar durch den Haarvorhang, aber immer noch scharf genug, auf den
Herrn.
    Widerlich, diese grauen Schläfen, diese
blauen Hosen und dieser weiße Pullover! Überaus widerlich dieses braungebrannte
Gesicht, erworben

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