Sieben Jahre Sehnsucht
habe.«
»Sentimentalität ist schön und gut, solange sie dich nicht ans andere Ende der Welt katapultiert«, murmelte Hester.
»Wie ich bereits sagte: Ich will die Reise antreten. Ja, ich gehe sogar so weit zu sagen: Ich muss es tun. Es ist für mich eine Möglichkeit, Abschied zu nehmen.«
Mit einem Stöhnen gab sich Hester geschlagen. »Versprichst du mir, dass du mir schreibst und so bald wie möglich zurückkehrst?«
»Natürlich. Und du versprichst mir, dass du mir zurückschreibst.«
Hester nickte, hob dann ihre Tasse mit der Untertasse an den Mund und trank den heißen Tee ganz undamenhaft in einem Schluck aus. Es war Tee mit einem guten Schuss Alkohol.
Jess hatte dafür Verständnis. Sie würde ebenfalls ein paar Gläschen brauchen, wenn sich in Kürze Tarleys Todestag jährte.
»Ich werde dir schöne Geschenke mitbringen«, sagte sie heiter, in der Hoffnung, ein Lächeln hervorzuzaubern.
»Bring einfach nur dich selbst mit, sonst …« Hester drohte mit dem Zeigefinger.
Die Geste war ein Relikt aus ihrer gemeinsamen Kindheit. Jess konnte sich die Frage nicht verbeißen: »Wirst du mich holen, wenn ich zu lange in der Fremde verweile?«
»Das würde Regmont niemals gestatten. Aber ich könnte jemand anderen auf deine Fährte ansetzen. Vielleicht eine der Matronen, die so besorgt um dein Wohlergehen sind …«
Jess tat, als würde sie erschauern. »Schon verstanden, mein raffiniertes Schwesterlein. Ich werde so schnell wie möglich wiederkommen.«
Alistair Caulfield befand sich in seinem Heuerbüro in der Lagerhalle, als hinter ihm die Tür aufging. Ein salziger Windstoß fegte herein und riss ihm das Ladungsverzeichnis, das er gerade lesen wollte, aus der Hand. Nachdem er es wieder eingefangen hatte, blickte er sich um. Seine Augen weiteten sich vor Überraschung. »Michael!«
Der neue Lord Tarley sah sein Gegenüber ebenfalls verblüfft an, und ein mattes Lächeln spielte um seine Mundwinkel. »Alistair, du Schuft! Du hast mir gar nicht gesagt, dass du in der Stadt bist.«
»Ich bin gerade erst zurückgekehrt.« Er legte das Verzeichnis in die entsprechende Mappe und verstaute diese in einer Schublade. »Wie geht es Ihnen, Mylord?«
Michael nahm seinen Hut ab und strich sich durch die dunkelbraunen Locken. Der neu erlangte Titel eines Lord Tarley schien schwer auf seinen Schultern zu lasten, denn er wirkte um Jahre gealtert. Er war in düsteres Braun gekleidet und bog seine linke Hand mit dem Tarley-Siegelring unnatürlich ab, als könnte er sich nicht an den Ring gewöhnen. »Nun ja, den Umständen entsprechend.«
»Mein Beileid dir und deiner Familie. Hast du meinen Brief erhalten?«
»Ja, danke. Ich wollte antworten, aber mir fehlte die Zeit. Das letzte Jahr ist so rasend schnell vergangen; ich bin kaum zum Atemholen gekommen.«
»Ich verstehe.«
Michael nickte. »Ich freue mich, dich wiederzusehen, mein Freund. Du bist viel zu lange fort gewesen.«
»Tja, das Leben eines Kaufmanns.« Er hätte viele Aufgaben delegieren können, doch er hatte England absichtlich gemieden, da sich dort seine Wege zwangsläufig mit denen seines Vaters und Jessicas gekreuzt hätten. Masterson kritisierte Alistairs Erfolg als Kaufmann mit derselben Bösartigkeit wie früher sein Lotterleben. Für seine Mutter war das eine große Belastung, die ihr jüngster Sohn ihr nur abnehmen konnte, indem er so häufig wie möglich abwesend war.
Was Jessica anbelangte, so hatte sie, wann immer sie sich sahen, sehr darauf geachtet, ihm aus dem Weg zu gehen. Er hatte sich damit abgefunden, als er sah, wie sehr die Ehe mit Tarley sie veränderte. Nach außen hin wirkte sie so kühl wie immer, aber ihre geschmeidigen Bewegungen und der wissende Ausdruck in den großen grauen Augen erzählten vom Erblühen ihrer Sinnlichkeit. Andere Männer bewunderten sie für ihr Mysterium, doch Alistair hatte hinter den Schleier geblickt, und dies war die Frau, die er begehrte. Für immer unerreichbar, aber dennoch fest in seinen Gedanken verankert. Sie war als ein Bild wilden, jugendlichen Verlangens in ihn eingebrannt, und die lebhafte Erinnerung an sie war auch nach all den Jahren keinen Deut blasser geworden.
»Ich bin froh über dein unternehmerisches Feingefühl », sagte Michael. »Deine Kapitäne sind die Einzigen, denen ich meine Schwägerin für die Schiffspassage nach Jamaika anvertrauen würde.«
Alistair behielt eine ausdruckslose Miene bei, was er langjähriger Übung verdankte, doch innerlich erbebte er vor
Weitere Kostenlose Bücher