Sieben Jahre später
wurde. Fotos von dem Wrack eines Flugzeugs, das im Dschungel abgestürzt war, eine Ladung M16 und AK-47, Hunderte von Kilo Kokain, ein angeturnter Camper und eine Karte von Amazonien …
Während der drei folgenden Stunden wandte Constance den Blick nicht mehr von ihrem Monitor ab. Sie verschickte Dutzende von E-Mails an ihre Kollegen, um zu versuchen, die Fotos auszuwerten.
Es war fast sechs Uhr dreißig, als ihr Telefon klingelte.
Ein Anruf von Nikki.
Kapitel 61
Eine Betoninsel mitten im Herzen des amazonischen Dschungels.
Die Stadt Manaus lag im Norden Brasiliens und streckte ihre Tentakel wie ein Krake bis in den tiefsten Urwalds aus.
Nach einem vierstündigen Flug betraten Nikki und Sebastian die Ankunftshalle des Flughafens. Sie gingen am Heer der illegalen Taxifahrer vorbei und wandten sich an den offiziellen Schalter, um einen Taxigutschein zu kaufen.
Es regnete.
Als sie den Terminal verließen, schlug ihnen die feuchte, tropische Hitze entgegen und nahm ihnen den Atem. Sie gingen zum Anfang der Reihe wartender Taxis und zeigten einem Angestellten der Gesellschaft ihren Gutschein, der sie daraufhin zu einem rot-grün lackierten Mercedes 240 D führte, einem Modell, das vom Ende der 1970er-Jahre stammte.
Die abgestandene Luft im Wagen roch säuerlich nach Erbrochenem. Eilig kurbelten sie die Fenster herunter, ehe sie dem Fahrer, einem jungen Mischling mit glattem Haar und kaputten Zähnen in einem gelb-grünen T-Shirt der Fußballmannschaft Seleção , einen Zettel mit ihrem Ziel reichten. Aus dem Radio dröhnte ohrenbetäubend laut eine brasilianische Macarena .
Nikki schaltete ihr iPhone ein und versuchte, nach Frankreich zu telefonieren, während Sebastian dem Fahrer zu verstehen gab, er solle die Musik leiser drehen. Nach mehreren erfolglosen Versuchen meldete sich schließlich Constance. Nikki erklärte ihr kurz die Situation.
»Ich habe Erkundigungen eingeholt, und ich habe schlechte Nachrichten«, verkündete die Kommissarin.
»Wir haben nicht viel Zeit«, sagte Nikki und schaltete den Lautsprecher ein, damit Sebastian mithören konnte.
»Dann passen Sie jetzt gut auf. Ich habe die Fotos von Flavia an all meine Kontakte geschickt. Vor einigen Stunden habe ich einen Anruf von meinen Kollegen vom nationalen Drogendezernat bekommen. Sie haben die junge Frau auf den Fotos erkannt. Sie heißt nicht Flavia, sondern Sophia Cardoza, auch bekannt unter dem Namen ›Narco-Barbie‹. Sie ist die Tochter von Pablo Cardoza, dem brasilianischen Drogenbaron und Chef des Kartells der Seringueros .«
Nikki und Sebastian wechselten bestürzt einen Blick. Die Seringueros … diesen Namen hatten sie schon in Rio gehört.
»Seit einem Monat sitzt Pablo Cardoza in einem Hochsicherheitsgefängnis des amazonischen Bundesstaates. Offiziell wurde das Kartell bei einer Großrazzia der brasilianischen Behörden zerschlagen, doch besagte ›Flavia‹ legt es offensichtlich darauf an, das Imperium ihres Vaters zu übernehmen. Ihre Arbeit als Kellnerin am Strand von Ipanema ist nur Tarnung. Sie hat auch nie in den Favelas gelebt. Ihr Abenteuer in Rocinha war inszeniert.«
Trotz des Gestanks schloss Nikki das Fenster, um den Lärm der Stadt zu dämpfen.
»Und das Flugzeug?«, fragte sie.
»Die Fotos von der DC-3 habe ich ebenfalls meinem Kollegen vom Drogendezernat gezeigt. Für ihn besteht kein Zweifel: Die zweimotorige Maschine gehört dem Kartell, und die Drogenladung kommt vermutlich aus Bolivien. Es dürften zwischen vier- und fünfhundert Kilo Kokain sein im Wert von rund fünfzig Millionen Dollar. Das Transportflugzeug ist, wahrscheinlich durch irgendeinen technischen Schaden, vor zwei oder drei Wochen mitten im Dschungel abgestürzt. Seit jener Zeit suchen Flavia und die Mitglieder des Kartells, die einer Verhaftung entgangen sind, fieberhaft danach.«
»Ist es schwierig, ein Flugzeug dieser Größe zu finden?«, fragte Sebastian.
»In Amazonien schon. Je nach Absturzort kann die Suche sogar erfolglos verlaufen. In zu vielen Bereichen gibt es weder eine Straße noch irgendeinen anderen Zugang. Die Maschine hatte vermutlich keinen Notruf. Ich habe verschiedene Recherchen durchgeführt: Letztes Jahr hat die brasilianische Armee fast ein Jahr gebraucht, um eine Cessna des Roten Kreuzes zu finden, die im Dschungel abgestürzt war. Und es ist ihnen nur deshalb gelungen, weil ein Indianerstamm ihnen einen Tipp gegeben hat.« Constance machte eine kurze Pause, ehe sie fortfuhr: »Das Erstaunlichste aber ist
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