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Sieben Jahre

Sieben Jahre

Titel: Sieben Jahre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Stamm
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mich viele Jahre lang gratis behandelt. Ich habe ihm das eine oder andere Bild dafür gegeben, aber ich glaube, er hat sie nur genommen, um mir das Gefühl zu geben, ich sei ihm nichts schuldig. Aufgehängt hat er jedenfalls keins davon. Vielleicht war auch nur seine Frau dagegen. Er ist ein sehr kultivierter Mann, sagte Antje, hast du ihn mal kennengelernt? Nur flüchtig, bei einer Präsentation von Semesterarbeiten. Da hat Sonja mich ihren Eltern vorgestellt. Aber damals war sie noch mit Rüdiger zusammen. Antje lachte. Mit dem hat sie mich auch mal besucht. Da war ich in der Villa Massimo in Rom. Der war ein anderes Kaliber. Wie meinst du das? Antje zuckte mit den Schultern. Ach, sagte sie, ich weiß auch nicht, der war irgendwie speziell, ein verrückter Kerl. Wir haben Rom unsicher gemacht, er und ich. Sonja ist den ganzen Tag den Kulturdenkmälern nachgejagt, und abends ist sie früh schlafen gegangen. Ich fragte, wann das gewesen sei. Letztes Jahr. Antje schaute mich an, lachte und sagte, da war nichts. Das hast du doch gedacht, nicht wahr? Nein, so ist der nicht. Wir hatten es einfach gut zusammen. Aber ich habe damals schon gespürt, dass das nicht mehr lange gutgehen würde mit den beiden.
    Sie sagte, sie habe Sonja sehr gern, schon ihrer Eltern wegen, aber sie sei manchmal etwas zu ernst. Mir fiel ein, dass Ferdi einmal gesagt hatte, Sonja sei der humorloseste Mensch, den er kenne, die gehe zum Lachen in den Keller. Damals hatte ich ihm widersprochen, und ich widersprach auch Antje, aber vermutlich hatten die beiden recht.
    Sonja kam eine Stunde später. Sie fragte, wo ich gewesen sei, sie hätte mich in dem Café gesucht. Sie war zu aufgeregt, um mir mein Verschwinden übel zu nehmen, aber ich war verärgert. Ich habe gesehen, wie du mit einem Mann zusammen weggefahren bist, sagte ich, du hättest mir wenigstens Bescheid sagen können. Oder schämst du dich für mich? Ich stand da wie vergessen und nicht abgeholt. Sonja umarmte und küsste mich. Du Armer, das war Albert, ich kann bei ihm mein Praktikum machen. Und das musstet ihr gleich begießen, sagte ich, immer noch verstimmt. Er hat mir eine Baustelle gezeigt, er musste sowieso hin und hat mich mitgenommen. Ich konnte ja nicht wissen, dass es so lange dauert.
    Vielleicht hatte Sonja doch ein schlechtes Gewissen. Jedenfalls war sie an diesem Abend besonders zärtlich zu mir. Wir aßen diesmal in einem Restaurant, einer kleinen Kneipe am alten Hafen, wo es, wie Antje behauptete, den besten Fisch von Marseille gab. Wir tranken viel Wein, auch Sonja trank mehr als sonst, und stießen auf alles Mögliche an, auf Sonjas Stelle, auf die Zukunft, auf die Architektur und auf Sonja und mich. Danach gingen wir in einen Club, in dem es so laut war, dass wir die meiste Zeit nur dasaßen und uns ungläubig anlachten und die Köpfe schüttelten. Antje entdeckte einen Freund, den sie mit einer Handbewegung zu uns an den Tisch einlud. Sie lachte jetzt noch mehr als vorher und legte dem Mann die Hand auf den Oberschenkel und beugte sich immer wieder zu ihm hinüber und schrie ihm Sätze ins Ohr, die er sehr amüsant zu finden schien. Nach vielleicht einer Stunde gingen wir. Draußen stellte Antje uns den Mann vor und sagte, er sei Fotograf. Die beiden beschlossen, noch in ein anderes Lokal zu gehen. Sonja sagte, sie sei müde, und auch ich hatte keine Lust mitzugehen. Ich fragte mich, ob Antje sich mit dem Fotografen abgesetzt hatte, um uns die Wohnung zu überlassen, jedenfalls hörte ich sie erst sehr viel später nach Hause kommen.
    Ich küsste Sonja im Treppenhaus, und dann küssten wir uns im Flur. Sie war ein wenig betrunken, sie musste, während wir uns küssten, immer wieder lachen, und ihre Hände fanden keine Ruhe und berührten mich schnell am Hals, an den Schultern, fuhren mir ins Haar und über den Rücken. Wir waren wohl beide eher aufgeregt als erregt. Ich schaffte es nicht, Sonjas Gürtel zu öffnen. Sie lachte nervös und sagte, sie müsse kurz ins Bad. Sie schloss die Tür mit dem Schlüssel ab, und ich hörte die Toilettenspülung und wie sie sich die Zähne putzte, aber als sie endlich wieder herauskam, war sie immer noch angezogen. Ich muss auch schnell, sagte ich und verschwand.
    Sonja lag in meinem Bett, die Decke bis zum Hals hochgezogen. Ihre Kleider hatte sie über einen Stuhl gehängt. Ich begann mich auszuziehen, da löschte sie das Licht, und ich musste im Dunkeln durch den Raum gehen und stieß dabei mit dem Fuß gegen den Stuhl mit ihren

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