Sieben Jahre
Arm und verschwand mit ihr. Ich drehte mich zur Seite und schlief sofort wieder ein.
Am nächsten Morgen besuchte ich Iwona noch einmal im Krankenhaus. Sie sagte kein Wort, und auch ich sprach nicht viel. Ich erwähnte Sophie nicht, fragte nur, wie sie sich fühle und wann sie nach Hause dürfe und ob sie alles habe, was sie brauche. Als ich ihr anbot, sie finanziell zu unterstützen, schüttelte sie den Kopf und drehte sich zur Wand. Dann kam Hartmeier mit einem kleinen Blumenstrauß, und ich ging.
An tje schaute mich schweigend an. Nach einer Weile sagte sie, sie habe gedacht, es könne nicht schlimmer kommen. Ist es so schlimm?, fragte ich. Was denkst du denn? Versuch dich in ihre Lage zu versetzen. Sie verliebt sich in einen Mann, der benutzt sie, wie es ihm gerade passt, und gibt ihr auch noch Geld dafür. Dann wird sie schwanger und hofft, dass er mit ihr eine Familie gründet, und stattdessen nimmt er ihr das Kind weg, und sie hat gar nichts mehr. Ich sagte, ich hätte kürzlich in einem Film einen Satz gehört, der mir eingeleuchtet habe: Du bist, was du liebst, nicht wer dich liebt. Darüber muss ich nachdenken, sagte Antje und schenkte sich ihr Weinglas voll. Nach einer Weile sagte sie, der Satz klinge sehr katholisch. Was ich damit sagen wolle? Dass Iwonas Lebensglück nicht von mir abhängt. Dass ein Mensch, der liebt, immer schon gewonnen hat, egal ob sich seine Liebe erfüllt oder nicht. Das ist Schwachsinn, sagte Antje. Das würde ja heißen, dass eine unerfüllte Liebe nicht weniger glücklich ist als eine erfüllte. So habe ich es nicht gemeint, sagte ich, ich meine nur, es ist schlimmer, nicht zu lieben, als nicht geliebt zu werden. Das klingt alles ein wenig, als wollest du dich reinwaschen. Genau das will ich nicht, sagte ich. Meine Schuld ist ebenso unabhängig von Iwona, wie ihre Liebe unabhängig ist von mir. Das ist mir alles zu theoretisch, sagte Antje. Tatsache ist, dass du sie missbraucht hast. Sie runzelte die Stirn und machte ein skeptisches Gesicht. Allerdings habe ich das Gefühl, dass du in der Geschichte gar keine wirkliche Rolle spielst. Zwar hast du den ganzen Schaden angerichtet, aber irgendwie geht es doch nur um Iwona. Um Iwona und um Sonja. Und um Sophie, sagte ich. Das mit Sophie habe ich schon gewusst, sagte Antje. So ungefähr. Sonja hat es mir erzählt während eurer Krise vor drei Jahren. Sie hat gesagt, Sophie sei das Kind deiner Geliebten, aber so kann man das ja nicht wirklich nennen.
Im Grunde war alles perfekt, sagte ich, es gab nichts, was ich an Sonja nicht mochte, und mein Leben war genauso, wie ich es mir wünschte. Dann sah ich Iwona wieder, und es war, als habe sie Macht über mich. Ich wusste, welchen Schaden ich anrichtete und dass ich kaum eine Chance hatte, von Sonja nicht irgendwann ertappt zu werden. Aber ich hatte keine Wahl, ich konnte nicht anders. Antje sagte, ich mache es mir ein bisschen einfach. Sie glaube an den freien Willen. Hast du das nie erlebt, sagte ich, dass du etwas getan hast, obwohl du wusstest, dass es falsch war. Auch das gehört zum freien Willen. Antje zuckte mit den Schultern. Als Kind vielleicht.
Ich fragte mich, was Sonja für ein Bild von Iwona hatte. Sie hatte sie nie gesehen, und ich hatte ihr auch nie etwas erzählt. Vermutlich nahm sie an, Iwona sei ihr in irgendeiner Hinsicht überlegen, sei üppig oder leidenschaftlich oder was auch immer. Ich musste lachen. Antje fragte, woran ich denke, und ich sagte es ihr. Würdest du den Mann treffen wollen, mit dem Sonja fremdgegangen ist?, fragte sie. Einmal hatte sie etwas mit einem alten Schulfreund, den ich flüchtig kannte, sagte ich, aber da war sie betrunken. Für sie war das eine Entschuldigung, für mich hat es die Sache nur noch schlimmer gemacht. Ich wollte wissen, wer es gewesen war, bis sie es mir sagte. Danach wäre es mir lieber gewesen, ich hätte es nie erfahren. Eine Zeit lang war ich total paranoid. Jedes Mal, wenn sie das Büro verließ, glaubte ich, sie ginge zu ihm. Antje runzelte die Stirn und sagte, solange Sonja Iwona nicht kenne, könne sie so tun, als existiere sie nicht. Iwona ist nur ein Wort für sie. Erst wenn Sonja sie träfe, bekäme dieses Wort ein Gesicht, egal ob es nun schön sei oder hässlich.
Antje fragte, ob Sophie wisse, wer ihre Mutter sei. Sie weiß noch nicht einmal, dass wir sie adoptiert haben, sagte ich, und wenn es nach Sonja geht, soll sie es auch nie erfahren. Siehst du, sagte Antje. Aber irgendwann werdet ihr es ihr sagen
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