Sieben Jahre
müssen. Ich fragte sie, wie es Sonja gehe. Solltest du sie das nicht selber fragen? Wenn ich sie frage, sagt sie immer, es gehe ihr gut. Antje lächelte. Das ist doch, was du hören willst, nicht wahr? Sie fragte, ob ich Sonja eigentlich je geliebt habe. Wenn man das so einfach sagen könnte, sagte ich und stand auf. Ich musste an unsere Hochzeit denken und an die Versprechen, die wir uns gemacht hatten, Versprechen, an die ich damals schon nicht geglaubt hatte. Ich schüttelte den Kopf. Ich weiß es nicht. Hast du Iwona geliebt?, fragte Antje. Ich muss dringend ins Bett, sagte ich. Wenn du willst, erzähle ich morgen weiter. Den Rest kenne ich ja mehr oder weniger, sagte Antje. Ich habe Iwona noch einmal getroffen, sagte ich. Antje zog die Brauen hoch. Schau an. Sie stand auf und sagte, sie gehe schlafen, morgen sei auch ein Tag. Brauchst du noch etwas?, fragte ich. Antje schüttelte den Kopf. Gute Nacht. Ich blieb sitzen, ich war noch nicht müde. Ich fragte mich, ob Antje recht hatte, ob wir Sophie erzählen mussten, dass Sonja nicht ihre leibliche Mutter war. Ich hätte kein Problem damit gehabt, wenn ich hätte hoffen können, Iwona empfinde irgendetwas für ihr Kind. Aber sie schien keinerlei Gefühle für Sophie zu haben. Vielleicht hatte sie es sich verboten.
Na ch Sophies Geburt vergingen Jahre, in denen ich nichts von Iwona hörte. Anfangs rief ich noch gelegentlich bei Hartmeier an und erkundigte mich nach ihr, aber nach einiger Zeit sagte er, sie komme nicht mehr in den Bibelkreis, er habe den Kontakt zu ihr verloren. Sie ist zu einer Belastung für uns alle geworden, sagte er. Die Sache mit dem Kind und ihre Verstocktheit. Iwona habe nicht einsehen wollen, was für schreckliche Fehler sie gemacht hatte, da habe man ihr nahegelegt, nicht mehr zu kommen. Anderes fiel mitten unter die Dornen, sagte er, und die Dornen wuchsen auf und erstickten es.
Ich hatte erwartet, dass Iwona sich zu Sophies Geburtstag melden, ein Geschenk oder wenigstens Glückwünsche schicken würde. Als wir nichts von ihr hörten, versuchte ich sie anzurufen, aber ihre Nummer war nicht mehr gültig, und ich bemühte mich nicht weiter, sie zu finden. Vielleicht ist sie nach Polen zurückgekehrt, dachte ich, es wäre für uns alle das Beste.
Es hatte einige Zeit gedauert, bis wir uns an Sophie gewöhnt hatten. Andere Eltern haben neun Monate Zeit, sich mit dem Gedanken zu befassen, ein Kind zu bekommen. Wir hingegen waren, selbst als Sophie zu uns gekommen war, noch nicht sicher gewesen, ob wir sie würden behalten können. Erst als wir nach acht Wochen Iwonas Verzichtserklärung in Händen hielten, wagten wir es, Sophie als unser Kind zu betrachten und uns auf sie einzulassen.
Das anfängliche Gefühl von Fremdheit wich nur langsam. Manchmal vergaß ich fast, dass wir jetzt ein Kind hatten, und war überrascht, wenn ich abends nach Hause kam und sie mit dem Au-pair-Mädchen antraf, das die ersten sechs Monate für sie sorgte. Sonja kam oft nach mir von der Arbeit, ihre neue Rolle schien ihr noch mehr Mühe zu machen als mir meine. Aber so schwer ihr die Veränderungen auch fielen, sie sprach nie darüber und ließ es Sophie auch nicht spüren. Sie war im Gegenteil sehr zärtlich zu ihr und fast überbehütend. Dauernd hatte sie sie an der Brust. Und was auch immer Sophie in die Hand bekam, Sonja sah eine Gefahr darin, giftige Farben, scharfe Kanten, Kleinteile, die verschluckt werden konnten. Stell dir vor, wenn ihr etwas passiert, sagte sie. Es wird ihr nichts passieren, sagte ich.
Manchmal betrachtete ich Sophie lange und suchte nach Ähnlichkeiten mit Iwona oder mit mir, aber ich konnte nichts entdecken. Sie gleicht dir, sagte ich zu Sonja. Sie lachte und sagte, sie gleicht niemandem, sie ist unvergleichlich. Dann ertappte ich auch sie dabei, wie sie Sophie beobachtete, und ich fragte mich, woran sie dachte.
Nach sechs Monaten gaben wir Sophie tagsüber in eine Krippe. Als ich sie das erste Mal hinbrachte, hatte ich ein furchtbar schlechtes Gewissen, es war mir, als setze ich sie in der Wildnis aus. Aber ihr schien es zu gefallen, mit anderen Kindern zusammen zu sein. Am Abend wollte sie erst gar nicht mit nach Hause kommen und fing an zu weinen, als ich sie auf den Arm nahm.
Sophie war ein stilles, friedliches Kind und machte kaum Probleme. Sie aß mit gutem Appetit und wuchs so schnell, dass Sonja manchmal sagte, sie wird zu dick, wir müssen auf ihre Ernährung achten. Schon früh konnte Sophie sich lange mit sich selbst
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