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Sieben Leben

Sieben Leben

Titel: Sieben Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Aschberg
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ihn“.
    „Was?“
    „Es gibt nur zwei Mahlzeiten am Tag. Wasser gibt es aber
jede Stunde“, erklärte der Mann. Dass er an die Holzbank gekettet war, auf der
wir beiden saßen, schien ihm nichts auszumachen.
    Der Mann nahm eine Handvoll Brei, kaute genüßlich und
schaute dann prüfend in meine blutunterlaufene Augen.
    „Sie hat’s aber ganz schön erwischt, was?“
    „Hm. Und wer sind Sie?“
    „Oh, ich habe mich noch gar nicht vorgestellt. Vogelbauer.
Dr. Arno Vogelbauer.“ Er rasselte mit der Kette und zuckte mit den Schultern,
wie um sich zu entschuldigen, dass er mir unter diesen Umständen nicht gut die
Hand reichen konnte. Dieser kleine Verstoß gegen die Etikette schien aber das
einzige zu sein, was ihn in Bezug auf die Ketten beunruhigte.
    Ich mußte lachen. Ein heiseres, unkontrolliertes Lachen, am
Rande des Wahns. Da saß ich angekettet, desorientiert und hilflos und dieser
Fremde stellte sich vor, als träfen wir uns auf der Cocktailparty eines
gemeinsamen Bekannten.
    Mein Lachen erstickte in einem unappetitlichen Würgen, mit
dem ich gegen einen aufkommenden Brechreiz ankämpften mußte. In meinem Magen
waren anscheinend immer noch diese diabolischen Maschinen zu Gange.
    Durch meinen Kopf trieben Fetzen der Erinnerung und
versuchten, sich zu größeren Stücken zusammenzusetzen. Da war ein Wort, das mir
weiterhelfen konnte. Cocktail...? Cocktail...! Das war es. Cocktail! Cocktails
in ungesunden Mengen. Vielleicht auch ein oder zwei Schnäpse, auf jeden Fall
eine Menge Alkohol. Ich hatte einen Kater. Gar keine Frage, einen ganz
gewaltigen Kater.
    Aber warum? Und wie kam ich hierher?
    Nun, das konnte ich klären, sobald ich die verdammten Ketten
losgeworden war.
    In diesem Moment riß die Nebeldecke auf, und das Sonnenlicht
verzauberte die Welt um uns herum in glitzernde Spiegel, fischsilbern wie die
Facetten eines gläsernen Bürokomplexes. Der kühle Wind war wie weggeblasen und
in der Luft vermischten sich die Sonnenstrahlen mit dem Gesang der Seevögel.
Ein würziger Duft zog in die Nase, ein bißchen wie frisch geschlagenes, noch
feuchtes Holz.
    So weit können wir nicht vom Ufer entfernt sein, dachte ich,
und wie zur Bestätigung wurde ich am Horizont einer gewaltigen Hügelkette
gewahr. Aus dieser Perspektive eine traumhafte Kulisse, für die jeder
Reisekatalog-Fotograf seine rechte Hand gegeben hätte. Einfach perfekt.
    Dann hörte ich die Trommel und sah die Ruder.
    „Und zieht...“, befahl eine tiefe Stimme zum Klang der
Trommel. Daisy, kein Zweifel.
    Vogelbauer hatte den Riemen vor uns gepackt und zog mit
aller Kraft durch.
    „Was zum Teufel soll das werden?“, wollte ich wissen und
ignorierte den Riemen geflissentlich.
    Bevor Vogelbauer ein Wort sagen konnte, traf mich ein
Knüppel an der Schulter. Ich zuckte zusammen, mehr aus Überraschung, als aus
Schmerz. Es war nicht gerade ein bösartiger Schlag gewesen, eher ein Schupser.
Aber mit einem Knüppel! In meinem Zustand bewirkte selbst ein schnelles Zucken,
das mir sofort wieder der Schädel brummte.
    „Entschuldigen Sie, ...ähm... “. Der Mann, der zu dem
Knüppel gehörte, tauchte in meinem Blickfeld auf, räusperte sich und faßte sich
dann ein Herz. „Du fauler Sack, wirst Du wohl anpacken?“
    Ich atmete ein paar Mal tief durch, bis ich sicher war, wach
und am Leben zu sein und starrte meinen merkwürdigen Peiniger ungläubig an.
    „Und zieeeht...“ Daisys Stimme tönte wie das Totengeläut
einer sizilianischen Bergkapelle, ein Bild, das gut mit der Hügelkette am Horizont
harmonierte.
    Der Mann mit dem Knüppel trat von einem Bein aufs andere und
räusperte sich erneut. Seine Augen zwinkerten nervös, was so gar nicht zu
seinem groben Auftreten paßte. Aber er hatte einen Knüppel in der Hand. Und wer
wußte es, vielleicht würde er ihn auch zum Einsatz bringen?!
    Ich wartete nicht weiter, sondern packte den Riemen und
begann zu rudern.
    Ich ruderte die nächsten zwei Stunden.
    Mit jedem Schlag schwitzte ich eine Portion Alkohol aus den
Poren und nach und nach zogen sich Schaufelbagger und Preßlufthammer samt
Grunge Band dahin zurück, wo auch immer sie hergekommen sein mochten und
machten in meinem Schädel Platz für halbwegs zusammenhängende Gedanken.
    Ich wußte wieder, wer ich war. Gar nicht so einfach bei den
vielen Leben, die ich schon gelebt hatte. Ich rede jetzt nicht von Wiedergeburt
auf dem steinigen Weg ins Nirwana, ich rede jetzt mehr im übertragenen Sinne.
Aber ich hatte beruflich und privat schon so

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