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Sieben Leben

Sieben Leben

Titel: Sieben Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Aschberg
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dass irgendwelche Sachbearbeiter aus der Abteilung Müller,
die gerade keinen Riester-Fall auf dem Tisch hatten, in ihrer freien Zeit mal
eben das juristische Kleingedruckte in den Geschäftsbedingungen unseres
Konzerns umarbeiteten. Aber er ließ sich nichts anmerken. So ein großzügiges
Hilfsangebot konnte er unmöglich vor versammelter Mannschaft ausschlagen,
schließlich war er Teamplayer, und Teamgeist kam bei Degenhardt gleich nach Zuverlässigkeit,
Augenmaß, Einstimmigkeit und Flexibilität.
    Ich beugte mich zu meinem buddhahaft lächelnden Chef und
fragte: „Was ist mit den neuen Einverständniserklärungen? Die brauchen wir
dringend!“ Buddha nickte weise. Und noch ehe ich richtig begriff, hatte er der
versammelten Runde schon strahlend das Angebot gemacht, dass in unserer Abteilung doch die neuen
Einverständniserklärungen erarbeitet werden könnten. Man war doch schließlich ein Team .
    Degenhardt strahlte. So viel Teamgeist machte ihn richtig
stolz.
    „Wie soll denn das gehen?“, raunte ich meinem Chef perplex
zu. „Wir sind doch völlig unterbesetzt?“
    „Sie glauben doch nicht, dass wir uns von Müller die Butter
vom Brot nehmen lassen?“, zischte Buddha. „Was der schafft, schaffen wir schon
lange“. Mein Chef hatte offensichtlich keine Lust, dass nur Müller heute Pluspunkte
für sein Manager-Karma einheimste. Schließlich ging es womöglich um eine
Wiedergeburt als Bereichsleiter.
    Ich staunte und lernte. Dafür war ich ja hier.
    Waldbaum nickte ergeben. Diesmal war ich sicher, einen
gequälten Zug um seine Mundwinkel wahrzunehmen. Er ahnte, welche Scherereien
ihm diese Amtshilfe noch einbringen würde, wenn die besagten Formulare erst mal
im Umlauf waren. Aber er mußte gute Miene zum bösen Spiel machen, er war
schließlich Teamplayer. Und das nächste Mal würde er eine Urlaubssperre
verhängen, die Kranken aus den Betten holen lassen und zur Not seine drei
Kinder als Aushilfskräfte mit ins Büro bringen, bevor er nochmal freiwillig in
der Managementrunde von Kapazitätsproblemen berichten würde.
    Am Ende war das der Sinn der Übung?
    Wie ich Waldbaum so betrachtete, wurde mir klar, dass uns
hier in diesem ehrwürdigen Ambiente gerade ein tiefer Einblick in die Grundlagen
des modernen Managements zuteil geworden war. Nach Waldbaums Miene zu urteilen,
hatte er dieselbe Erleuchtung erfahren.
    Leider blieb keine Zeit, diese faszinierende Lektion zu
vertiefen, denn die Runde war zum nächsten Tagesordnungspunkt weitergeeilt. Jetzt
ging es um das Thema Einstellungen.
    Ich beugte ich mich zu Gertenschläger und wisperte: „Wir
sollten unbedingt die Neueinstellungen ansprechen.“
    Müller schenkte sich gerade eine Tasse Kaffee nach, es
bestand also zumindest eine kleine Chance, dass mal jemand anders zu Wort
kommen würde.
    Zu meiner Überraschung nutzte Gertenschläger tatsächlich die
Gunst des Augenblicks und trug der Runde unser Anliegen vor. Wieder eine
interessante Lektion. Niemals einen Mitspieler unterschätzen. Selbst wenn es Dein
Chef ist.
    Degenhardt zog die Stirn in Falten. Kein gutes Zeichen. Einerseits
ja, er glaubte uns die Lage, andererseits, Neueinstellungen waren so eine
Sache. Hochpolitisch dieser Tage, hochpolitisch.
    Da erwachte Müller aus der selbstauferlegten Kontemplation,
um ein weiteres Mal uneigennützig in die Bresche zu springen. Der Kaffee
verstärkte anscheinend, was immer er heute früh als Muntermacher eingeworfen haben
mochte.
    „Wie wäre es denn, wenn ich Ihnen einen Kollegen ausborge?“,
fragte Müller.
    Das würde überhaupt nicht helfen. In die Einarbeitung von
Kollegen aus der Müller-Abteilung mußte man erfahrungsgemäß unsäglich viel Zeit
investieren. Die hatten wir nicht. Ganz abgesehen davon, dass wir Schulungen ja
vorhin einstimmig gestrichen hatten. Aber das waren in einer Runde von
Teamplayern wahrscheinlich kaum zulässige Argumente.
    Verwegen meldete ich mich selbst zu Wort. „Gäbe es denn eine
Chance, den Mitarbeiter fest zu übernehmen?“, krächzte ich in dem Bewußtsein,
gerade ein kleines Sakrileg begangen zu haben.
    „Ich weiß nicht. Vielleicht sollten wir erst einmal
abwarten, wie sich die Situation entwickelt?“, meinte Müller zu Gertenschläger
gewandt. Mich ignorierte er völlig. Müllers ganze Mimik signalisierte, dass er
hier einen kleinen Finger nach dem anderen hinstreckte und es doch
verwunderlich fand, wenn man ihm nun zur Belohnung die ganze Hand abnehmen
wollte. Und das von einem kleinen Stellvertreter, einem

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