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Sieben Siegel 01 - Die Rückkehr des Hexenmeisters

Titel: Sieben Siegel 01 - Die Rückkehr des Hexenmeisters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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fanden sie im ersten Stock tatsächlich einen Mann. Er war aus dem Irrenhaus ausgebrochen und hielt ein langes Messer in der Hand.«
    »Und die drei Kinder?«, fragte Lisa atemlos.
    »Das erzähl ich euch lieber nicht«, flüsterte Nils unheilschwanger.
    »Alle tot?«, fragte Kyra mit großen Augen.
    Nils nickte bedächtig. »Alle … tot!«
    Den Mädchen liefen eiskalte Schauder über den Rücken, sogar Tante Kassandra schüttelte sich.
    Kyra fasste sich als Erste. »Ich glaube, das hast du alles nur erfunden. Wie immer.«
    »Beim Leben meines Lieblingshamsters schwöre ich, dass …«
    »Ja, ja, schon gut«, erwiderte Kyra, die Nils’ Wahrheitsbeteuerungen längst in- und auswendig kannte. Sie atmete tief durch, dann sagte sie:
    »Ich muss euch auch was erzählen. Und meine Geschichte ist wirklich wahr.«
    Und dann berichtete sie den anderen, was sie am Vorabend erlebt hatte. Sie ließ keine Einzelheit aus, beschrieb genau, wie die unheimliche Frau ausgesehen hatte, erzählte von dem schrecklichen Fisch mit den spitzen Zähnen und davon, was dieses Biest mit dem Raubvogel angestellt hatte.
    Als sie fertig war, sank sie erschöpft im Stuhl in sich zusammen. Es war, als hätte sie die Ereignisse ein zweites Mal durchlebt. Auch ihre Gänsehaut war zurückgekehrt. Beinahe wünschte sie sich, Tante Kassandra hätte den Tee doch nicht fortgeschüttet. Einen heißen Schluck davon hätte sie jetzt gut vertragen können.
    »Das ist irre«, entfuhr es Nils, aber aus seinem Tonfall war nicht ganz herauszuhören, ob er damit »toll« oder »grässlich« meinte.
    »Gruselig«, keuchte Lisa.
    Kyra nickte. »Darauf kannst du wetten.«
    Ihre Tante trat neben sie und ging in die Hocke. Aus irgendwelchen Gründen hatte der Tisch seit jeher nur drei Stühle, obwohl sie ja meistens zu viert im Laden waren.
    »Kyra«, sagte sie, »ist das wirklich wahr?«
    »Jedes Wort.«
    »Eine Frau mit einem Fliegenden Fisch in einer Krokoledertasche? Und du bist ganz sicher?«
    »Ich hab sie doch mit eigenen Augen gesehen!«
    Tante Kassandra war kreidebleich geworden. Ihre Unterlippe zitterte leicht. Kyra hatte sie noch nie so aufgeregt gesehen. Der Anblick ihrer verstörten Tante beunruhigte sie beinahe noch mehr als die schaurige Begegnung auf dem Bahndamm. Wenn Erwachsene plötzlich so hilflos wirken, ist das, als würde ihnen jemand die Maske mit den Fältchen vom Gesicht reißen und das kleine, verängstigte Kind darunter zum Vorschein bringen.
    »Du darfst nie wieder dort hingehen«, sagte Tante Kassandra schließlich. Ihre Stimme klang heiser.
    »Zum Bahndamm?«, fragte Kyra empört. »Aber …«
    »Es ist zu gefährlich.« Tante Kassandra stand wieder auf und lief erregt im Laden auf und ab. »Liebe Güte, ich wünschte, dein Vater wäre hier und würde dich auf eine seiner Reisen mitnehmen. Euch alle drei.«
    Kyras Vater, Professor Rabenson, war Wissenschaftler. Er schrieb Sachbücher über außersinnliche Phänomene, über Geister und Ufos und andere Sachen, die von den meisten Menschen für Blödsinn gehalten wurden. Seine Bücher waren in viele Sprachen übersetzt worden, und er hatte Millionen von Exemplaren verkauft. Mit dem Geld, das er dadurch verdiente, finanzierte er immer neue Forschungsreisen, die ihn in alle Welt führten. Er besaß kein Haus mehr, wohnte nur in Hotels, in Pensionen oder sogar im Zelt, irgendwo im Regenwald oder in der Sahara.
    Tante Kassandra und Kyra lebten von dem Geld, das der Professor ihnen jeden Monat überwies. Und immer in den Ferien kam er nach Giebelstein, wo er selbst geboren und aufgewachsen war, packte Kyras Koffer und nahm sie und ihre beiden besten Freunde mit auf eine Reise. Die Eltern von Nils und Lisa verfügten kaum über die nötigen Mittel, um ihr Hotel vor dem Ruin zu bewahren. Deshalb waren sie froh, dass Kyras Vater die Geschwister während der Schulferien unter seine Fittiche nahm.
    Kyra glaubte, dass er sich so um ihre Freunde kümmerte, weil er ihr gegenüber ein schlechtes Gewissen hatte. Wenn sie zusammen waren, erfüllte er ihr jeden Wunsch, so, als könnte er mit Zuckerwatte und Limonade und türkischem Honig all die Monate wettmachen, die sie ohne ihn auskommen musste. Ihre Mutter war schon lange tot, gestorben, als sie noch ein kleines Kind war. Kyra konnte sich nicht einmal an ihr Gesicht erinnern. Tante Kassandra war die jüngere Schwester des Professors, und sie ersetzte Kyra schon seit Jahren Mutter und Vater. Kyra hatte sich längst daran gewöhnt, und ihr Leben gefiel

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